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Dunkles Erwachen

Dunkles Erwachen

Titel: Dunkles Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Knip
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erhob er sich. Seine schweißbedeckte Brust hob und senkte sich unter den tiefen Atemzügen. Das Bild vor seinen Augen verschwamm für einen Moment.
    Er sah sich um. Die restliche Herde hastete davon. Staub peitschte auf und verhüllte die Luft. Talon sank auf die Knie und legte eine Hand auf den noch warmen Körper. Misstrauisch blickte er auf. Er achtete darauf, dass niemand aus N'ches Rudel auf ihn aufmerksam geworden war und nun seine Unachtsamkeit ausnutzte.
    Der Mann, der bis auf einen zerrissenen Lendenschurz aus graugrünem Stoff nackt war, warf die tote Gazelle auf die Seite und packte einen der Hinterläufe. Er winkelte ihn zur Seite und drückte ihn nach außen. Die helle Haut spannte sich über dem Unterleib. Talon senkte den Kopf und grub seine Zähne in die freigelegte Stelle. Kaum hatte er die obersten Hautschichten aufgerissen, schmeckte seine Zunge Blut. Unwillkürlich stieg die Erregung in ihm an. Er riss an den roten, glänzenden Muskelfasern und drückte das Hinterbein der Gazelle weiter zurück. Es knirschte, als der Hüftknochen brach.
    Talon legte die Keule beiseite. Sie würde er später mitnehmen. Erneut senkte er den Kopf und riss das warme Fleisch mit hastigen Bissen heraus. Blut lief über sein Gesicht und seinen Oberkörper.
    Er schnaufte und wischte sich über den feuchten Mund. Langsam begannen sich seine Sinne wieder zu beruhigen. Sein Blick klärte sich. Die Sonne stand inzwischen tief am Horizont. Es mochte keine Stunde mehr dauern, bis sie unterging. Talon musste sich beeilen. Nach Einbruch der Dunkelheit herrschten die Hyänen über die Savanne, und er war klug genug, sich auf keine Auseinandersetzung mit ihnen einzulassen.
    Das Gras raschelte keine zehn Schritt von ihm entfernt.
    [Du wirst unvorsichtig, mein Sohn.]
    Talons Kopf ruckte hoch. »T'cha?«
    [Sei froh, dass ich es bin.]
    Sein Körper sank erleichtert zurück.
    [Du hast doch nichts dagegen ...?]
    Ein schwerer Körper schob sich an ihm vorbei. Er spürte das borstige Fell der Löwin auf seiner Haut und lachte.
    »Natürlich nicht.« Einladend wies er auf den Kadaver. »Sie gehört dir.«
    [Es ist genug für uns beide da, mein Sohn.]
    Die Löwin schlug ihre Reißzähne in die offene Stelle und riss sie weiter auf. Die Gazelle ruckte zur Seite. Mürrisch knurrte die Löwin auf und hielt den Leib mit einer Pranke fest.
    Sie ließ Talon genug Platz, damit er sich seinen Teil der Beute sichern konnte. Schmatzende Geräusche und das Brechen von Knochen erfüllten die Luft.
    Talon keuchte schließlich und sank gesättigt zu Boden.
    T'cha blickte auf und verscheuchte mit einem Rucken des wuchtigen Kopfes mehrere Fliegen.
    [Es tut gut, dich zu sehen, mein Sohn. Ich habe mich gefragt, wie es dir geht.]
    Der hochgewachsene Mann sank nach vorne und stützte sich mit den Ellenbogen auf den Oberschenkeln ab. Er fuhr sich mit der blutverschmierten Hand über die Stirn.
    »Seitdem N'che das Rudel übernommen und mich verstoßen hat, bin ich durch die Savanne gezogen. Es ist hart, so alleine. Vor allem jetzt, bei dieser Dürre.«
    Die Löwin grunzte.
    [Es ist unvorsichtig von dir, wieder in unser Land zurückzukehren. Wäre es heute nicht ich gewesen, die die Grenzen abstreift, hätte ich dich vor den Löwinnen nicht schützen dürfen.]
    »Das weiß ich, Mutter. Das weiß ich.«
    Talon erhob sich und blickte auf die Raubkatze hinab.
    »Ich kann nicht mehr ziellos umherirren. Ich muss zurück zu der Stelle, an der ihr mich gefunden habt.«
    [Das ist gefährlich, das ist dir bewusst.] Die bernsteinfarbenen Augen richteten sich auf den Mann. [N'che wird es nicht wagen, meine Autorität in Frage zu stellen, wenn ich an deiner Seite bin. Aber auch ich habe im Rudel mehr und mehr einen schweren Stand.]
    »Der Lauf der Welt«, lachte Talon humorlos auf und stemmte die Hände in die Hüften. »Aber davon kann ich mich nicht abhalten lassen.«
    [Was erhoffst du dir dort? Deine Erinnerung ist bisher nicht zurückgekehrt] , beharrte T'cha. [Welche Antworten willst du finden?]

 
     
     
    Kapitel 1
     
    Acht Monate zuvor
    »... was wir benötigen, sind Antworten, Tyler. Wir müssen wissen, was Sadiq vorhat.«
    Die Worte quäkten verzerrt aus Adrians Kopfhörer. Er presste die Muschel fest gegen sein Ohr, um die Stimme besser verstehen zu können.
    »Dessen bin ich mir bewusst, Sir«, brüllte er zurück, um die Rotorengeräusche des Helikopters zu übertönen. »Sollte ›Operation Talon‹ scheitern, riskieren wir einen Flächenbrand in Ostafrika.

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