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Dunkles Indien

Dunkles Indien

Titel: Dunkles Indien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rudygard Kipling
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Fortschritte es mache.
    Nachdem wir uns Monate nicht mehr gesehen hatten, erhielt ich die Nachricht, daß ich verreisen müßte, und ging, Abschied von ihm zu nehmen.
    »Ich komme heute, um dir Lebewohl zu sagen«, begann ich, »denn ich muß eine lange Reise unternehmen, Gobind.«
    »Ich auch! Eine längere noch als du! Aber wie steht es mit dem Buch, mein Sohn?«
    »Es wird rechtzeitig geboren werden, wenn es so sein soll.«
    »Ich wollte, ich könnte es noch sehen«, sagte der alte Mann und kauerte sich unter seiner Decke zusammen. »Aber das wird nicht geschehen. Ich werde in drei Tagen sterben. Nachts. Kurz vor Sonnenaufgang. Die Zahl meiner Jahre ist reif.«
    In neun Fällen unter zehn täuscht sich ein Eingeborener nicht über den Tag seines Todes. Er hat in dieser Hinsicht das Ahnungsvermögen eines Tieres.
    »Dann wirst du in Frieden scheiden; deine Rede ist gute Rede, daß das Leben dir keine Freude ist.«
    »Es ist schade, daß das Buch noch nicht geboren ist. Wie werde ich wissen, ob mein Name wirklich darin aufgezeichnet ist?«
    »Ich verspreche dir, daß gleich am Anfang des Buches, allem ändern voran, stehen soll, daß Gobind, der Saddhu, von der Insel im Flusse, und in Erwartung Gottes in der Chubara des Dhunni Bhagat, mir zuerst von dem Buche gesprochen hat«, sagte ich.
    »Und seinen Rat dazu gegeben hat - den Rat eines alten Mannes - den Rat Gobinds, des Sohnes Gobinds, aus dem Dorfe Chumi im Kreis Karaon, im Distrikt Mooltan. Wird auch das darin stehen?« forschte der Greis.
    »Auch das wird darin stehen.«
    »Und das Buch wird über das Schwarze Wasser gehen bis in die Häuser der Leute deines Volkes, und alle Sahibs werden von mir wissen, der ich jetzt älter als achtzig Jahre bin?«
    »Alle, die das Buch lesen, werden von dir wissen. Für die anderen kann ich nicht gutstehen.«
    »Das ist gute Rede. Ruf sie alle herbei mit lauter Stimme, die im Kloster sind, damit ich es ihnen erzählen kann!«
    Und sie kamen alle herbei, die Fakire, die Saddhus, die Sunnyasis, die Bairagis, die Nihangis und Mullahs, - Priester aller Religionen und in jedem Grade der Zerlumptheit. Gobind, auf seine Krücke gestützt, sprach zu ihnen mit einer Begeisterung, daß sie sämtlich von Neid erfüllt wurden, bis ein weißhaariger Greis ihn ermahnte, an sein Ende zu denken, anstatt an den vergänglichen Ruhm im Munde der Fremden. Dann gab mir Gobind seinen Segen, und ich ging fort.
    Die Geschichten, die ich in dem Buche bringe, habe ich an allen möglichen Orten gesammelt, habe sie gehört aus dem Munde so manchen Priesters in der Chubara, aus dem Munde Ala Yars, des Bildschnitzers, und Jiwun Singhs, des Schlossers - von Menschen ohne Namen, die ich auf Dampfern und in Eisenbahnzügen traf, von Weibern, die im Zwielicht vor ihren Hütten spannen, von Offizieren und Gentlemen, die längst tot und begraben sind; einige hat mir mein Vater auf den Weg mitgegeben, sie sind die besten.
    Die bemerkenswertesten Geschichten kann ich hier nicht bringen - aus leichtbegreiflichen Gründen!

Die gespenstische Rikscha
    Mögen böse Träume meine Lagerstätte meiden,
    finstre Mächte mich in Ruhe lassen!

    Abendhymne
    Einige der wenigen Vorzüge, die Indien vor England genießt, bestehen in der Leichtigkeit, mit der man Bekanntschaften schließt. Schon nach fünfjähriger Dienstzeit kennt man zwei- bis dreihundert Zivilpersonen, die Offizier-Korps von zehn bis zwölf Regimentern und Batterien und etwa fünfzehnhundert Leute der nichtoffiziellen Kaste. Nach zehn Jahren können sich die Bekanntschaften verdoppelt haben, und nach zwanzig ist einem jeder Engländer im Kaiserreich geläufig - dem Namen nach oder von Angesicht zu Angesicht - und man kann reisen, wohin man will, und die Hotelrechnung schuldig bleiben.
    Weltenbummler, die die Inanspruchnahme der Gastfreundschaft als ein ihnen zustehendes Recht betrachten, haben, wie ich an mir selbst des öfteren erfuhr, häufig auch das herzlichste Entgegenkommen schmählich mißbraucht; dennoch stehen, jedem nach wie vor alle Türen offen, er sei denn ein Wildschwein oder ein räudiges Schaf. Unsere kleine Welt ist nachsichtig und hilfreich!
    Vor ungefähr fünfzehn Jahren war ein gewisser Rickett aus Kamartha bei einem Manne namens Polder in Kumaon zu Gast. Er wollte nur zwei Tage bleiben, aber er erkrankte an einem rheumatischen Fieber, und sechs Wochen hindurch brachte er Polders Hauswesen in Unordnung, hielt ihn von seiner Arbeit ab und wäre bei einem Haar in Polders Bett gestorben.

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