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Dunkles Indien

Dunkles Indien

Titel: Dunkles Indien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rudygard Kipling
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Vorsicht zu schänden! Orde kämpfte sich auf, blickte durch die Vorhänge und sah das nahe Segel. »Das ist Polly«, sagte er schlicht, obgleich seine Lippen bereits verkrampft waren in Todespein. »Polly - (es war wohl der grimmigste Hohn, den sich das Schicksal einem Menschen gegenüber erlaubt) - und - Sie, Dick - Sie - werden ihr es sagen – müssen.«
    Eine Stunde später stand Tallantire auf der Sandbank einer Frau in Gingham-Reitkleid und Tropenhut gegenüber, die nach ihrem Gatten schrie - ihrem Alles und dem Licht ihres Lebens -, während Khoda Dad Khan sich mit dem Gesicht auf die Erde warf und seine Augen bedeckte.
    II
    Die Herzenseinfalt, mit der die Regierung Stellung nahm zu dem Vorfall, war geradezu rührend. Nichts einfacher für einen weitblickenden Staatsmann, wenn es gilt, die Wünsche des Volkes zu respektieren, als ein Landeskind zur Herrschaft bestellen! Zweihundert Millionen des dankbarsten, liebestrunkensten aller Völker im Reiche Ihrer Majestät der Königin würden in Lobeshymnen ausbrechen und so etwas nimmermehr vergessen. Der glückliche Auserwälhlte selbst stand natürlich jenseits von Lob und Tadel; war er doch auserkoren vom Allerhöchsten sämtlicher Vizekönige! Und dessen Herrschaft beruhte auf Prinzipien, und Prinzipien müssen bekanntlich streng berücksichtigt werden - im Sommer und im Winter. Seine Feder, seine Zunge hatte Neu-Indien geschaffen - laut hinschallend, eindringlich: Neu-Indien, eine Nation unter Nationen, ein Land, schwanger mit unbegrenzten Möglichkeiten, und das alles: Sein Werk. Weshalb denn auch alsbald der Allerhöchste sämtlicher Vizekönige noch einen Schritt vorwärts tat, was die Frage betraf, für Yardley-Orde einen Nachfolger zu erküren. Die Wahl fiel auf einen Gentleman, ein Mitglied des bengalischen Zivildienstes, der seinen Rang nebst Universitätsbildung in freiem Wettbewerb mit den Söhnen Englands erworben hatte. Feinsinnig, weltgewandt, wie er war, hatte er, so hieß es, auf weise - und noch mehr: auf höchst sympathische Art einen volkreichen Bezirk in Südost-Bengalen verwaltet. Er war englisch gesinnt in jeder Beziehung und lange das Entzücken vieler Gesellschaften gewesen; er hieß, soweit sich der Vizekönig erinnerte: Grish Chunder Dé, M. A. Kurz und gut: konnte irgend jemand an einem Manne etwas aussetzen, der so geeignet schien, als Landeskind über Landeskinder zu herrschen? Man brauchte nur rasch an seine Stelle in Südost-Bengalen einen jüngeren Zivilbeamten aus gleicher Rasse zu setzen - (er war bereits gefunden; hatte er doch ein bemerkenswert geschicktes Pamphlet geschrieben über den politischen Wert der Sympathie im Regierungsdienst) - und nichts mehr stand im Wege, Mr. Grish Chunder Dé, M. A., nordwärts nach Kot-Kumharsen abzusenden. Der Vizekönig mischt sich nicht gern persönlich und direkt in Sachen, die eigentlich den Provinzgouvernements unterstehen, und betont immer, er erteile lediglich seinen Rat. Was die Rassenfrage betraf, so war Mr. Grish Chunder Dé im Grunde noch viel mehr Engländer, und zu alldem mit einem sympathischen Wesen und einem Tiefsinn ausgestattet, der ihn zum Besten stempelte im besten aller Regierungsämter der Welt.
    Die ernsten, schwarzbärtigen Könige, die den Großen Indischen Rat bilden, gaben die verschiedensten Meinungen kund über den Vorschlag, aber schließlich, wie üblich, erhoben sie den Vizekönig ekstatisch in den siebenten Himmel und ließen ihre nur kindischerweise vorgebrachten Einwände fallen.
    »Im Prinzip ist es sehr richtig«, sagte das schläfrig blickende Oberhaupt der Roten Provinzen, in denen Kot-Kumharsen lag, denn es war ein ausgesprochener Anhänger aller Prinzipien. »Die einzige Schwierigkeit wäre nur -«
    »Ach was!« rief der »Ritter des Gezückten Schwertes« mit der offenherzigen Brutalität dazwischen, die noch jedes Oberhaupt der Roten Provinzen in seinen Grundfesten erschüttert hat - »ach was! Man bürdet ganz einfach die Verantwortung an dem Zeugs irgendeinem Unterbeamten auf, gibt dem Dé links und rechts je einen handfesten Kommissar an die Seite, unterstützt ihn mit dem tüchtigsten Assistenten der Gegend, seift vor allem das Volk genügend ein mit der ›Furcht vor Gott, dem Herrn‹, und wenn's dann noch schiefgehen sollte, sagt man eben: seine Kollegen sind schuld und haben ihm nicht genug beigestanden. Schließlich ist ja der Bezirksleiter immer der Sündenbock; wozu ist er denn da?« Die Folge der Rede war ein allgemeines stillschweigendes

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