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Dunkles Indien

Dunkles Indien

Titel: Dunkles Indien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rudygard Kipling
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Regierung hat jetzt bewiesen, wie sie euch einschätzt. Ihr wißt: Orde Sahib ist tot.«
    »Ai! Ai! Ai!« klagte ein halbes Dutzend Stimmen.
    »Ja, er! Er war ein Mann! Aber wer, glaubt ihr wohl, kommt jetzt an seine Stelle? Ein Bengali aus Bengalen - ein Fischfresser aus dem Süden!«
    »Das ist eine Lüge!« sagte Khoda Dad Khan. »Wenn du dich noch länger als Priester patzig machst, stoß ich dir meinen Gewehrkolben in den Hals.«
    »Oho, bist du auch da, du englischer Speichellecker?« höhnte der Mullah. »Geh nur morgen über die Grenze hinüber und biete deine Dienste dem Nachfolger Orde Sahibs an. Aber vergiß nicht, vor dem Zelteingang deine Schuhe auszuziehen! Es ist das Sitte, wenn man ein Geschenk in die schwarze Pfote eines Bengalen legt. Ich weiß das! In meiner Jugend hätte man einem Burschen den Gewehrkolben in den Hals gerannt, wenn er gewagt hätte, einen Mullah zu schmähen, der die Tür zu Himmel oder Hölle in der Hand hat.«
    Der blinde Mullah haßte Khoda Dad Khan, wie nur ein Afghane hassen kann, denn beide waren Rivalen um die Vorherrschaft über den Stamm: den einen fürchtete man wegen seiner körperlichen Eigenschaften, den anderen wegen seiner geistigen. Khoda Dad Khan warf einen Blick auf Ordes Ring und grunzte: »Morgen gehe ich hin. Ich bin kein solcher Narr, Krieg gegen die Engländer zu predigen. Aber, wenn die Regierung wirklich verrückt geworden ist, dann -«
    »Was dann?« krächzte der Mullah, »wirst du dann die jungen Leute aufrufen und die vier Dörfer im Grenzland besetzen?«
    »Oder vielleicht dir wegen Verbreitung von Lügen den Kragen umdrehen, du schwarzer Rabe der Hölle!«
    Khoda Dad Khan ölte sorgfältig seine langen Locken, zog seinen besten Buchara-Gürtel an, einen neuen Turban und schöne grüne Schuhe und stieg, begleitet von ein paar Freunden, die Berge hinab, um dem neuen Deputatskommissar von Kot-Kumharsen seinen Besuch abzustatten. Auch nahm er als Tribut vier oder fünf unschätzbare, goldene Mohurs aus den Zeiten des Kaisers Akbar mit - in ein weißes Schnupftuch gewickelt. Der Deputatskommissar hatte sie zu berühren und zurückzugeben. Die Zeremonie bedeutete, daß die Khusru Kheyl sich brav zu benehmen versprachen - in der nächsten Zeit, und vorausgesetzt, daß Khoda Dad Khan am Ruder blieb und ihm der neue Deputatskommissar auch sympathisch war. Solange Yardley-Orde an der Spitze stand, schloß der Besuch jedesmal mit einem solennen Festessen, gewürzt mit - wahrscheinlich verbotenen - Schnäpsen, für alle Fälle aber mit einigen wundervollen Erzählungen und Versicherungen unverbrüchlicher Freundschaft. Khoda Dad Khan befestigte sodann stets zu Hause seine Herrschaft aufs neue durch überschwengliche Schilderung des prunkvollen Empfangs, der ihm bereitet worden, nannte Orde Sahib und Tallantire königliche Prinzen und schwor, jedem bei lebendigem Leib die Haut abziehen zu lassen, der es wagen sollte, einen Raubzug in britisches Gebiet zu veranstalten. Diesmal schien alles beim alten geblieben zu sein: das Zelt des Deputatskommissars sah genauso aus wie früher, und da Khoda Dad Khan sich selbstverständlich dazu für berechtigt hielt, trat er ohne weiteres durch die offene Tür ein. Gleich darauf erblickte er einen dicken, süßlich lächelnden Bengali, der an einem Tische saß und schrieb. Völlig unwissend, welch erhebenden Einfluß eine sorgfältige Erziehung auf den Menschen ausübt, und überdies gänzlich verschlossenen Gemütes gegenüber Würden, die die Universität verleiht, schätzte Khoda Dad Khan den Mann als Babu - den eingeborenen Kommis des Deputatskommissars und das gehaßteste und verächtlichste Geschöpf - ein.
    »Heda!« rief er in aufmunterndem Ton, »wo ist dein Herr, Babudschu?«
    »Ich bin der Deputätskommissar«, antwortete der Gentleman auf englisch. Offenbar überschätzte er den Einfluß seiner Universitätswürden, sonst hätte er kaum Khoda Dad Khan so fixiert, wie er es jetzt tat. Wer nun aber gewohnt ist, von frühester Kindheit an Schlachtgetümmel, Mord und Totschlag vor Augen zu haben, und auf wessen Nerven vergossenes Blut nicht mehr Eindruck macht als rote Farbe, wer überdies, wie Khoda Dad Khan, felsenfest glaubt, daß ein Bengali der Sklave aller Hindustanis ist, die an und für sich schon tiefer stehen als das eigene große lebensfrohe Ich, der hält so manchen Blick aus, auch wenn er keine Erziehung genossen hat. Er kann auch einen graduierten Oxfordstudenten in Grund und Boden starren, gar, wenn

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