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Dunkles Indien

Dunkles Indien

Titel: Dunkles Indien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rudygard Kipling
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verhindern konnte. Rechter Hand unten im Tal liegt Jumala, das Hauptquartier des Bezirkes, ein Nest aus Lehmbaracken, die man Häuser nennt - heimgesucht vom Sommerfieber und mit Dächern bedeckt, die in der Hitze klaffen und in der nassen Jahreszeit lecken.
    So war der Ort beschaffen, dessen Herrschaft anzutreten Grish Caunder Dé berufen wurde. Die Nachricht von seinem Kommen war ihm lange schon vorausgeeilt. Bengalis sind so selten wie Pudel da oben unter den Grenzbewohnern, die sich die Köpfe blutig schlagen mit ihren langen Spaten und vor Hindu- und mohammedanischen Heiligenschreinen zu beten pflegen. Sie rotteten sich zusammen, um Grish Chunder Dés Anblick teilhaftig werden zu können, deuteten mit Fingern und verglichen ihn mit einer trächtigen Milchkuh oder einem niedergebrochenen Pferd, wie es ihnen gerade in den Mund kam. Sie lachten über seine Polizeigarde und wollten gern wissen, seit wann denn die vollbepackten Sikhs bengalische Affen mit sich führten. Sie fragten höhnisch, ob er denn auch alle seine Weiber mitgebracht hätte, und rieten ihm eindringlich, sich ja nicht etwa an die ihrigen heranzumachen. Einer alten runzligen Hexe am Wegesrand blieb vorbehalten, daß sie sich auf ihre ausgemergelten Brüste schlug, als er vorbeikam, und kreischte: »Sechse habe ich gesäugt, die imstande gewesen wären, sechstausend von solchen aufzufressen, wie er einer ist. Die Regierung hat sie erschossen, aber den da machen sie zum König!« Worauf ein blaubeturbanter knochiger Pflugscharschleifer ihr zuschrie: »Keine Sorge, Mutter meiniges, er wird schon noch denselben Weg gehen wie deine Bankerte!« Auch die Kinder, die kleinen runden braunen Pudelbälle, machten neugierige Augen. Wie ergötzlich für die Jugend, sich in Orde Sahibs Zelt zu drängen, wo es Kupfermünzen regnete, wenn man die Hand hinhielt - und auch Märchen erzählt wurden, so buchgetreu, daß selbst die eigenen Mütter kaum die Hälfte davon kannten. Allerdings: wie Pir Prith den zehn Teufeln die Augenzähne ausriß, wie sich die großen Steine oben auf den Berggipfeln des Khusru in Reih und Glied stellten, oder was geschieht, wenn man abends durch das Dorftor dem grauen Wolf zuschreit: »Badl Khas ist tot«, - davon wußte der fette schwarze Kerl drin nichts zu berichten. Mittlerweile schwätzte Grish Chunder Dé viel und schnell auf Tallantire ein - nach der Gewohnheit aller derer, die sich hyperenglisch geben -, von Ehrendinners, Cricketmatches, Jagdrennen, von der »Heimat« drüben und ähnlichem fremden Zeug und Sport. »Wir müssen die Burschen fest in die Hand kriegen«, flocht er bisweilen, unbehaglich gestimmt, ein; »besorgen Sie das! Nur die Zügel nicht auslassen! Sie verstehen: es hat keinen Zweck, in Ihrem Distrikt ein Auge zuzudrücken.«
    Aber gleich darauf hörte Tallantire, wie Debendra Nath Dé, der seinem hohen Verwandten brüderlicherweise nachgefolgt war auf seinem Triumphzug, hoffend, daß für ihn etwas abfallen möchte durch dessen Protektion, und sei es auch nur eine Wahlstelle, auf bengalisch flüsterte: »Besser geräucherte Fische in Dacca als gezückte Schwerter in Delhi! Bruder, hör auf mich: diese Menschen sind Teufel, wie unsere Mutter zu sagen pflegte! Du wirst immer mit einem Fuß im Steigbügel bleiben müssen!«
    Noch in der selben Nacht sollte seitens des neuen Deputatskommissars in einem verfallenen Dorf, dreißig Meilen hinter Jumala, eine öffentliche Ansprache gehalten werden, gewissermaßen als Antwort auf den »festlichen« Empfang, den die eingeborenen Beamten bereitet hatten. Es war eine sorgfältig ausgearbeitete Rede, die sicherlich sehr gewirkt haben würde, wenn nicht der dritte Satz mit den Worten begonnen hätte: »Hamara hookum hai«[Es ist mein Befehl] Gelächter, klar und glockenrein, brach los; es kam aus dem Hintergrund des Zeltes, wo ein paar Landbesitzer aus dem Grenzgebiet saßen, schwoll an, mit Ausrufen des Zornes gemischt; und das magere, lauernde Gesicht Debendra Nath Dés wurde blaß. Grish Chunder aber wandte sich zu Tallantire und sprach: »Sie - natürlich Sie haben das arrangiert.« Mitten in den Lärm hinein tönte der Schall von Hufschlägen, und gleich darauf trat Gurbar ein, der Befehlshaber der Bezirkspolizei, schwitzend und staubbedeckt. Der Staat hatte ihn durch volle siebzehn schwere Jahre in einen Winkel der Provinz verbannt, damit er dort den Salzschmuggel in Schach halte und auf eine Beförderung harre, die niemals eintrat. Curbar hielt seit langem nicht mehr

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