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Dunkles Indien

Dunkles Indien

Titel: Dunkles Indien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rudygard Kipling
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keineswegs abholde Polizisten einen Schabernack auf seine Kosten in Szene, kaum daß er das schirmende Dach über seinem Haupte wußte. Sie hatten es ausgeheckt, als sie so dahinplumpsten in ihren Sätteln nach Jumala. Sie betraten - zuerst der eine und nach einer Weile der zweite - das Zimmer des Gewaltigen und überboten einander mit blutrünstigen Schilderungen des Krieges und der Massen teuflischer Stämme, die da ganze Städte in Brand setzten. Es wäre ein Spaß gewesen, sagten diese Unholde später, fast so, wie ein Verfolgungsritt mit Curbar hinter fliehenden Afghanen drein. Jede einzelne Schreckensschilderung scheuchte den Unglücklichen immer von neuem an den Schreibtisch, wo er dann halbestundenlange Depeschen aufsetzte voll Greuelbotschaften, als handle es sich um eine Wiederholung des historischen Blutbades zu Delhi. An jeden Machthaber telegraphierte er, von dem sich voraussetzen ließ, er sei imstande, ein Bajonett mobil zu machen. Unsagbares hätte sich begeben, wären die Depeschen abgeschickt worden, aber zum Glück schlief der einzige Beamte auf der Post bereits, und der Stationsvorstand meinte nach einem kurzen Blick auf den Stoß bekritzelten Papiers, mit Hinsicht auf die Eisenbahnvorschriften sei die Beförderung kaiserlicher Botschaften nicht gestattet; so knüllten denn die beiden Polizisten, Ram Singh und Nihal Singh, das Zeug zusammen zu Polstern und schliefen darauf den Schlaf der Gerechten.
    Tallantire gab seinem ungebärdigen Scheckenhengst mit den porzellanblauen Augen die Sporen und machte sich auf einen vierzig Meilen langen Ritt nach dem Fort Ziar gefaßt. Er kannte die Gegend des ganzen Distriktes auswendig und gab sich nicht erst die Mühe, Wege abzuschneiden, sondern ritt in gerader Luftlinie auf die Furt zu. wo Orde gestorben war und begraben lag. Der staubige Boden verschlang das Geräusch der Hufschläge und der Mond warf den Pferdeschatten voraus als ein ruheloses Gespenst; der schwere Tau durchnäßte den Reiter bis auf die Haut. Tamariskenblätter peitschten seine Stirn, dann wieder: kahle Hügellandschaft, hohes Gestrüpp, das den Bauch des Gauls kämmte wie Bürsten, endlose Tiefebene, durchfurcht von Äckern und gefleckt von schlafenden Herden; Wüstenei, und abermals Hügel flogen vorüber, dann arbeitete sich der Hengst durch den tiefen Sand der Indus-Furt. Tallantire kam zu keinem rechten Bewußtsein, bis er den Bug der schlingernden Fähre drüben im Fluß erkannte und zugleich sein Pferd schnaubend scheute vor dem weißen Stein auf Ordes Grab. Da raffte er sich auf und schrie, daß der Tote es hören möge: »Der Tanz geht los. Wünsch mir Glück, Alter!« Dann hämmerte er mit dem Steigbügeleisen in der eisigen Dämmerung an das Tor der Festung Ziar, hinter deren Mauern fünfzig zerlumpte Beshakli Beludschen mit ihren Säbeln weilten, um nötigenfalls die Interessen Ihrer Majestät auf ein paar hundert Meilen in der Runde des Grenzlandes zu wahren. Dieses einzigartige Fort stand unter dem Kommando eines Subalternen, der der alten Familie der Derouletts entstammte, aber nichtsdestoweniger auf den Namen Tommy Dodd hörte. Tallantire fand ihn wach, in einen Schaffellmantel gehüllt, zitternd vor Fieber wie Espenlaub, und damit beschäftigt, die Eingeborenen-Arzneiliste für Invaliden zu studieren.
    »Sind Sie also doch gekommen, Tallantire«, sagte er. »Schön. Aber wir sind alle krank hier, und ich bezweifle, ob ich dreißig Mann in den Sattel kriege. Aber - bub-bub-bub - wir tun's herzensgern. Halt: glauben Sie, ist das da eine Falle, oder eine Lüge?« - er schob Tallantire einen Bogen Papier hin; darauf stand in Gurmukhi-Kraxelfüßen: »Junge Füllen kann man nicht zurückhalten. Wenn der Mond untergeht, hinabsteigt in die vier Dörfer vom Jagai-Paß, wollen sie zum Freßtrog in der Nacht!« - und darunter in runder englischer Schrift: »Dein aufrichtiger Freund.«
    »Braver Kerl!« sagte Tallantire. »Das ist Khoda Dad Khans Werk. Es sind die einzigen englischen Worte, die er sich gemerkt hat; ich erinnere mich genau. Er bildet sich einen Mordsfetzen darauf ein. Er spielt also auf eigene Faust Karten gegen den blinden Mullah, der Fuchs.«
    »Ich kenne die Politik der Khusru Kheyl nicht, aber wenn Sie zufrieden sind, dann bin ich's auch«, sagte Tommy Dodd. »Man hat den Brief gestern nacht übers Tor hereingeworfen, und da sagte ich mir, wir müßten uns einen heftigen Ruck geben und nachforschen, was los ist. Ach Gott, wenn nur das Fieber nicht wäre! Glauben

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