Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dunkles Verhaengnis

Dunkles Verhaengnis

Titel: Dunkles Verhaengnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Sallis
Vom Netzwerk:
Sonny zu fachsimpeln. Ehe ich michs versehe, liegt er unter dem Auto und macht munter mit.

    Nach einer Weile kommt Sonny zu mir nach draußen. ›Tja, wir wissen jetzt, woran es lag‹, sagt er zu mir. Der Unfall, meint er, warum Billy ins Rathaus gedonnert ist. Sieht aus wie eine Spurstange, die sich gelockert hat, sagt er. Das Auto hat lange unbenutzt rumgestanden, wird dann ordentlich getreten – da ist so was nicht weiter überraschend.
    Er geht wieder rein. Eine halbe Stunde verstreicht, vielleicht auch ein bisschen mehr. Dann kommt er mit diesem Päckchen heraus, eingewickelt in etwas, das wie Segeltuch oder Wachstuch aussieht – altes Fensterleder, wie sich später zeigt –, das Ganze kreuzweise umwickelt mit einer Kordel. Fein säuberlich mit einer Schleife verknotet. In dem Fensterleder befindet sich eine Schachtel mit einem verblichenen seidenen Halstuch, wieder kreuzweise umwickelt, diesmal mit einem Band, und ein winziger Ball, ähnlich einem Weihnachtsbaumschmuck. Das Ding hatte unter dem Sitz gesteckt, zwischen den Sprungfedern.
    »Es ist eine Halskette«, erklärte ich Lonnie. »Silber, angelaufen, seit Jahrzehnten nicht mehr geputzt. Auf der Innenseite eingraviert zwei kleine Herzen, das eine mit den Initialen LH, das andere mit AC.«
    »LH …«
    »Könnte durchaus für Lorenzo Harmon stehen. AC ist Augusta Chorley.«

    »Die alte Dame.«
    »Sie war nicht immer alt, Lonnie. Und allem Anschein nach ist ihr Leben womöglich nicht so ereignislos gewesen, wie alle dachten. Sie hatte wirklich einen Schatz dort draußen, obwohl es ein sehr persönlicher war.«
    Er hob das Päckchen hoch, wog es, dachte, da bin ich sicher, an den Schaden, den es verursacht hatte. »Und Billy?«
    »Vielleicht ein Kurier, der die Kette jemandem hier in der Stadt oder oben in Memphis bringen sollte – mit oder ohne Miss Chorleys Wissen. Oder es könnte auch sein, dass die Kette all die Jahre vergessen in dem Auto gelegen hatte.«
    »Und wir dachten, die Sache hätte irgendwas mit Drogen zu tun …«
    »Die üblichen Verdächtigen, ja. Und vielleicht ist es ja auch so. Die Sache mit der Kette könnte reiner Zufall sein.«
    »Das sind alles in allem ziemlich viele Vielleichts.«
    Ich spreizte die Hände in gespielter Resignation. »Geh und sprich von Angesicht zu Angesicht mit Harmon. Und dann gib ihm die Kette. Vielleicht tut sie ihre Wirkung – ich habe keine Ahnung. Du musst abwarten, was passiert.«
    »Ich werde Billys Job zu Ende bringen.«

    Wieder spreizte ich die Hände angesichts der Unwägbarkeiten der Welt, ihrer Unlesbarkeit.
    So wie ich nachher die Achsel zuckte, auf der Rückfahrt nach Hause, allein im Jeep, zur Musik von Eldon und Val. Val stimmte gerade ihr Banjo um, in die Sawmill-oder Double-C-Stimmung, dann folgten ein paar stolpernde Clawhammer-Takte, dann ihre Stimme.
    Li’l birdie, li’l birdie
Come sing to me a song
I’ve a short while to be here
And a long time to be gone

Kapitel Zwanzig
    Am Ende so vieler Geschichten steht man vor dem Altar. Man hat Krisen erlebt, Hürden wurden überwunden oder umgangen, praktisch alles ist so, wie es vorher war, oder hat sich auf einem neuen Level wieder eingependelt. Man fragt sich immer, was aus diesen Menschen geworden ist. Denn sie hatten eine Vergangenheit, sie hatten ein Leben, bevor man zu lesen begann. Und sie haben eine Zukunft, zumindest einige von ihnen, nachdem man aufgehört hat.
    Ich erinnere mich an eine Geschichte, die ich vor Jahren gelesen habe, als ich mich an einem Zeitungsstand an der Lamar herumtrieb, während ich darauf wartete, dass die Kneipe auf der anderen Straßenseite öffnete. Muss Anfang der siebziger Jahre gewesen sein. Ich war noch nicht lange aus Vietnam zurück. Auf der ersten Seite steht dieser junge Bursche auf einem Berg und blickt hinunter in das Tal, wo die Würmer, die versucht hatten, die Weltherrschaft zu übernehmen, entweder schon tot waren oder im Sterben lagen. Es war sein Werk. Er hatte die Welt gerettet. Die nächsten zehn Seiten und den Rest
seines Lebens wohnt er in einem Wohnwagenpark, trinkt schon zum Frühstück Bier und hat eine verkorkste Beziehung nach der anderen.
    Das beschreibt ziemlich genau, wie es für die meisten von uns läuft. Unsere Wege sind nicht mit Rosen bestreut, wir führen kein Leben in Reichtum, wir sagen den Menschen, die wir lieben, nicht, wie sehr wir sie lieben, wenn es drauf ankommt, wir füllen nie ganz die Schatten aus, die wir werfen, während wir durch die Welt laufen. Wir

Weitere Kostenlose Bücher