Dunkles Verhaengnis
linke Seite rasiert und genäht worden war, und hatte ihr (auf Millys Wunsch?) Rouge und Lippenstift aufgelegt, was angesichts der Prellungen und der sich windenden Narben recht verstörend wirkte. Sie sah zur Hälfte wie eine Kleinmädchenpuppe aus und zur Hälfte wie ein Zombie.
Letzten Endes ging es um einen Schlamassel, in den Billy sich hineinmanövriert hatte. Um etwas, das er gestohlen oder gefunden hatte oder noch besaß, was genau, wusste sie nicht. Wusste auch nicht wo, und ob es hier war, bevor er ging, oder oben in Hazelwood, aber sie glaubte, in Hazelwood.
Der Fahrer sagte immer wieder, er habe einen Job zu erledigen, und sein Arsch wäre Geschichte, wenn er diesen Job nicht erledigte, und diese Schranzen kämen ihm dabei ernsthaft in die Quere und gingen ihm unendlich auf die Eier. Als er das zum ersten Mal sagte, dachte sie noch, er sagte »Wanzen«. Der andere klopfte ihr ständig auf die Schulter, sagte ihr, alles werde gut, und fragte den Fahrer: Was willst du mit der Frau machen, Hollis, sie kann dir nicht helfen. Sagte ihm, er solle rechts ranfahren, anhalten. Sie erinnerte sich noch, dass der Fahrer lachte, danach kam nicht mehr viel.
Jemand war im Haus gewesen, da war sie ganz sicher, als sie nach Hause kam. Es fühlte sich einfach nicht richtig an. Sie trank nie Cola, und wenn, dann hätte sie niemals eine Dose in der Spüle liegen lassen, aber da war jetzt eine, die sich höchstwahrscheinlich im Kühlschrank befunden hatte, seit Billy gegangen war. Er war der Cola-Trinker. Dann bemerkte sie einige andere Dinge. Schubladen in der Küche standen offen, die Tür zum Keller war geöffnet worden – das war daran zu erkennen, weil sich die Tür direkt neben dem Wasserboiler befand und die Farbe irgendwie über den Rand gelaufen war, wodurch die Tür im Rahmen klebte, und dann losgerissen worden war, als man sie öffnete. Solche
Dinge. Sie wusste nicht, warum, sie hatte nicht mal an die Kanone gedacht, hatte völlig vergessen, dass sie überhaupt da war, doch ehe sie sich versah, war sie ins Schlafzimmer gegangen, hatte sie geholt und in ihre Handtasche gesteckt. Dann behielt sie die Handtasche bei sich, als sie eine Runde durchs Haus machte und überall das Licht anknipste. Sie standen draußen, hinter dem Haus, als sie das Licht dort anmachte. Und sie stand einfach nur da, als sie dann reinkamen.
»Einer von denen ist tot«, sagte sie. »Das hat mir eine Schwester gesagt.« Ihre Augen waren nicht auf meine gerichtet, sondern auf die Wand oberhalb meiner Schulter. Als ich einen Schritt näher trat, schaute sie fort.
»Und den anderen haben wir.«
Sie hob eine Hand, um den Schlauch der nasogastralen Sonde zurechtzurücken – die Nasenöffnung war gerötet und rundherum verkrustet. »Er hat versucht, mir zu helfen.«
»Ja.«
»Sein Freund ist tot.«
Ich nickte.
»Ich wäre auch fast tot«, sagte sie.
»Sie werden wieder gesund.«
»Und Billy ist tot.«
»Ja. Ja, das ist er.«
Bevor wir gingen, sprachen wir noch mit Millys behandelndem Arzt, einer dünnen, schlaksigen Frau unbestimmter Nationalität in einem schwarzen T-Shirt, Einweghose und billigen weißen Turnschuhen ohne Socken. Körperlich, sagte sie, wäre davon auszugehen, dass Milly wieder völlig genesen würde. Sie zeige Anzeichen einer traumatischen Amnesie, erinnerte sich an Dinge und vergaß diese dann wieder, aber mit ein bisschen Glück, und offensichtlich hatte sie davon einiges, sollte sie das ebenfalls gut überstehen. Es ähnelt einem Kurzschluss, sagte Dr. Paul. Der Impuls wird losgeschickt, die Drähte stehen unter Strom, manchmal leuchtet die Glühbirne auf und manchmal eben nicht. Oder sie flackert und geht aus.
Die meiste Zeit während der Rückfahrt in die Stadt war Lonnie stumm und schaute nur aus dem Seitenfenster. Viele Felder standen immer noch teilweise unter Wasser; Bäume und gelegentlich ein Strom-oder Telefonmast waren umgeknickt. Hier und da drängten sich Amseln und Krähen am Rand des Wassers, Ansammlungen winziger Priester.
»Blickst du oft zurück, Turner? Wie es früher war?«
»Klar, mach ich das.«
»Kommt einiges zusammen.«
»Wenn wir Glück haben, holt es uns wenigstens nicht ein.«
»Aber es ist uns auf den Fersen und packt uns früher oder später doch, meinst du das?«
Tja, meinte ich das? Es gibt Muster. Jeder deutete sie, wie er sie deuten will.
»Sie kommt wieder in Ordnung, Lonnie. Sie wird drüber hinwegkommen.«
»Natürlich. Und das Gleiche gilt für Shirley, nachdem wir
Weitere Kostenlose Bücher