Duo Infernale
Motorboots in mein Blickfeld. Die bewachsene und in den See hineinreichende Ufernase hatte mir zuvor den Blick genommen, aber jetzt tuckerte das Boot näher, an dessen Heck schon eine Positionsleuchte einen weichen Schein abgab. Es war zu groß und hatte wohl auch zu viel Tiefgang, um in diesem kleinen abgeteilten Hafen anlegen zu können, denn es nahm Kurs auf den Steg, der ebenfalls zum Hotel gehörte und einige Meter weit in den See hineinführte, wo Boote dann andocken konnten.
Jane Collins stand an der Steuerbordseite. Sie hatte mich gesehen und winkte mir zu. Wer das Boot lenkte, sah ich nicht, weil sich das Licht auf den Scheiben des Ruderstands spiegelte, aber ich stellte fest, dass es unterhalb des Ruderstands eine Kabine gab, deren kleine Fenster verdunkelt waren.
Am Ende des Stegs wartete ich. Vor mir klatschten die Wellen gegen das Holz. Zwei Pfosten ragten in die Höhe und warteten darauf, von Tauen umschlungen zu werden, wenn die Boote anlegten.
So weit kam es bei mir nicht. Der Steuermann verstand sein Geschäft. Der Motor tuckerte nur leise vor sich hin, als sich der Bug immer mehr dem Steg näherte.
»Du musst schnell sein, John.«
»Keine Sorge.«
Mittschiffs war es leichter, das Boot zu entern. Bevor es sich an mir vorbeigeschoben hatte, trat ich auf den breiten Wulst vor der Reling. Dann griff schon Jane Collins zu, hielt mich fest und half mir, über die Reling zu klettern, was überhaupt kein Problem war und ich auch allein locker geschafft hätte.
Dann wäre ich fast gefallen, als der Steuermann wieder Fahrt aufnahm. So eben konnte ich mich noch festhalten und so mein Gleichgewicht finden.
»Willkommen an Bord«, sagte Jane und drückte mir einen Kuss auf den Mund. Ich war überrascht und glaubte sogar, dass ihre Lippen ein wenig nach See schmeckten.
Von mir stammte der Begriff »hübscheste Detektivin der Welt«, und wenn ich mir Jane Collins so anschaute, dann war das nicht gelogen. Sie war hübsch mit ihrer leicht sonnenbraunen Haut, der hellen Kleidung, dem Band, das die blonden Haare festhielt, und den hellen Augen, die so spöttisch funkelten. Sie trug eine weiße Hose und als Oberteil einen grobmaschigen Pullover, der hellblau eingefärbt war.
»Gut siehst du aus.«
»Danke.«
»Dann geht es dir auch gut – oder?«
Jane verzog die Lippen, und ihr Gesicht verdüsterte sich. »Das kann man nicht sagen, John.«
»Dachte ich mir doch.«
Jane drehte sich von mir weg. Langsam tuckerten wir wieder dem offenen See entgegen. Die Detektivin hatte ihre Arme auf die Reling gelegt und schaute über das Wasser hinweg, als gäbe es am anderen Ufer etwas Besonderes zu sehen.
Ich stellte mich neben sie, blickte allerdings nicht in ihre Richtung, sondern schaute sie an und stellte fest, dass ihr Profil von einer gewissen Härte gezeichnet war, die darauf hindeutete, dass sie nicht eben ein Bündel an Fröhlichkeit war.
Jane hatte mir auch nicht gesagt, um was es ging und was sie so bedrückte.
»Okay, Jane, ich bin hier. Ich habe auch keine großen Fragen gestellt, aber jetzt möchte ich wissen, warum ich hier an den Murtensee kommen sollte.«
»Du hast ein Recht auf Antworten, John.«
»Danke, dass du das so siehst.«
»Bitte keinen Spott. Die Lage ist zu ernst.«
»Okay, ich höre.«
Jane senkte den Kopf und schaute auf die Wellen. »Es geht um eine Frau, sie sich hier auf dem Boot befindet. Sie liegt unter Deck und wird wohl noch in dieser Nacht sterben. Sie hat ihr ganzes Leben ein schlechtes Gewissen gehabt, und jetzt will sie sich erleichtern.«
»Kann ich verstehen, aber ich bin kein Pfarrer.«
Jane deutete das Kopfschütteln nur an. »Das brauchst du auch nicht zu sein, John.«
»Und was bedrückt sie?«
»Ihr Schicksal. Sie ist eine Person, die sich mit den falschen Freunden eingelassen hat.«
»Dämonen oder...«
Jane ließ mich nicht ausreden. »Kann man so sagen. Aber es geht auch weniger um sie, sondern um ihre Töchter, die sie vor dreißig Jahren gebar. Sie heißen Florence und Fiona.«
»Finde ich die beiden ebenfalls unter Deck?«
»Nein, John. Um sie zu treffen, müssen wir zu einem anderen See und in eine andere Stadt fahren.« Sie richtete sich für einen Moment auf und umklammerte mit beiden Händen das hell gestrichene Metall. »Es ist Genf, und diese Stadt liegt bekanntlich am Genfer See oder am Lac Léman.«
»Aber vorher muss ich mit der Mutter sprechen.«
»Ja.«
Ich wiegte den Kopf. »Von einem See zum anderen. Das hört sich im Prinzip gut
Weitere Kostenlose Bücher