Durch den Wind
starrte auf den Streifen, drehte ihn einmal um, als ob auf der Rückseite das Gegenteil stehen könnte.
Dann wurde es plötzlich ganz leise in ihr, und von unten stieg ein Gurgeln auf, ein Schluchzen, ein Kreischen. Yoko und sie brachen in Jubel aus und tanzten durchs Bad, Friederike immer noch mit den Hosen in den Kniekehlen.
»Ich bin schwanger, ich bin schwanger«, wiederholte sie und hielt sich immer wieder den Teststreifen vor die Augen, »ich bekomme ein Kind, ich fasse es nicht, ich bekomme wirklich ein Kind. Ich habe es doch gar nicht geglaubt, keine Minute habe ich es wirklich geglaubt, ich hatte es doch erfunden, um Tom ... oder mich oder wie auch immer, aber ich hatte es nicht geglaubt.«
Sie schwieg eine Weile, dann fing sie von vorne an: »Ich bekomme ein Kind, schon mit zwanzig wollte ich ein Kind, und jetzt bin ich fast vierzig und bekomme endlich eins. Es ist nicht zu fassen.«
»Gerade noch«, sagte Yoko mit einem Grinsen, und Friederike grinste zurück.
»Was heißt gerade noch? Ich könnte sogar noch eins bekommen oder noch zwei, ich wollte immer schon drei Kinder haben.«
»Genau: Plan schon mal die Großfamilie!«
Sie lachten beide, und Friederike hielt sich den Bauch und schaute aus dem Fenster, und die Welt da draußen war eine andere.
»Und Tom?«
»Tom?«
»Was ist mit Tom?«
»Was mit Tom ist?« Friederike dachte nach. »Ich weiß nicht, ich weiß nicht mal, was ich mir wünschen soll. Dass er jeden Morgen mit uns frühstückt? Ich fürchte, Bullerbü in Berlin wird’s nicht geben.«
»Die Schwangerschaft scheint dir gutzutun. Das war das erste Sinnvolle, was du je über Tom gesagt hast.«
»Nur weil du dir niemanden an deinem Frühstückstisch vorstellen kannst!«
»Morgens schon einen Mann, der mit mir reden will?« fragte Yoko und verzog das Gesicht.
»Welche Farbe bekommt das Wohnzimmer?«
»Hellgrün«, sagte Yoko, »zartes Hellgrün.«
Als sie den Eimer öffnete, erklärte Yoko: »Seitdem ich weiß, dass ich meinen Vater nicht auf dem Gewissen habe, bin ich ganz orientierungslos. Und ich bin keine zwanzig mehr; ich weiß, dass ich nicht in Indien suchen muss.«
Yoko tropfte grünes Konzentrat in die weiße Farbe und verrührte die Schlieren.
»Wie schön«, sagte Friederike. »Wie schön das aussieht.« Dann stiegen ihr wieder die Tränen in die Augen: »Weißt du, warum ich wusste, dass heute ein guter Tag werden würde? Ich habe gestern eine rote Zwiebel in einem Kartoffelnetz gefunden. Und da habe ich gedacht: Es gibt noch Überraschungen. Ich hätte fast die Frau an der Kasse geküsst, weil ich dachte,dass ich etwas finden werde, was nicht in meine bisherige Sammlung passt. Und jetzt bin ich schwanger.«
»Mit einer kleinen, runden, roten Zwiebel.«
Sie rührten das Grün an und klebten den Boden ab. Nach einer Weile sagte Friederike: »Viel kann man nicht mehr ändern in unserem Alter. Außer der Farbe seiner Wände und seinem Leben vielleicht.«
Eduard war überrascht, dass Siri Freunde einladen wollte, so kurz nachdem sie aus dem Krankenhaus entlassen worden war, aber er sah es als Zeichen ihrer Genesung und freute sich umso mehr.
Siri saß mit Felix auf dem Boden und faltete Servietten für den Abend. Als sie sich die Servietten um die Stirn band wie eine Indianerin, überschlug Felix sich fast vor Lachen. Eduard stand am Fenster und beobachtete sie. Ihre Blicke trafen sich. Er trug seinen Kopf ein wenig höher heute, so wie er ihn früher getragen hatte, bevor sie geheiratet hatten.
»Gut siehst du aus«, sagte sie. »Wenn ich dich nur bis zum Hals sehen könnte, würde ich schwören, dass du einen Smoking trägst, oder noch besser: einen Taucheranzug über einem Smoking.«
»Vielleicht siehst du mich nur bis zum Hals«, sagte er und schaute sie an
»Warum Taucheranzug?« fragte Felix, und sie antwortete: »Weil er wie ein berühmter Geheimagent aussieht, ein Spion, der zuerst unter Wasser eine Bombe entschärft und dann an Land schwimmt, um auf ein schönes Fest zu gehen, auf dem er spielt und trinkt und Frauen flachlegt.«
»Frauen flachlegt?« fragte Felix.
Eduard schaute sie mit einer Mischung aus Entsetzen und Amüsement an.
»Wie beim Judo«, sagte sie.
»Ach so«, sagte Felix.
Als die ersten Gäste klingelten, kam sie angezogen und geschminkt aus ihrem Zimmer – eine Mischung aus Sharon Stone und einer schwedischen Prinzessin. Sie trug ein tiefausgeschnittenes, petrolfarbenes Wickelkleid, hohe fuchsiafarbene
Weitere Kostenlose Bücher