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Durch den Wind

Titel: Durch den Wind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annika Reich
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um.
    Sie atmete aus und strich sich über den Bauch.
    Tom war nun fertig mit seinen Vorbereitungen und schaute ins Publikum, zuerst ungerichtet, dann suchend. Sie duckte sich noch etwas weiter in den Sessel. Es war ihr gar nicht unrecht, wenn er noch ein bisschen zweifelte, ob sie gekommen war. Von weitem war er gar nicht so attraktiv, von weitem sah er sogar etwas unscheinbar aus. Außerdem war sie keine Frau, die einen Musiker wollte, ein handfesterer Beruf wäre ihr viel lieber gewesen, einer, der eine Familie ernährte – auch wenn sie sich das wahrscheinlich auch wiederum ungern aus der Hand nehmen lassen würde.
     
    Das Konzert begann und endete. Sie hatte nicht wirklich zugehört, hatte über alles Mögliche nachgedacht, über das neue Thema für den Laden und ein paar Stiefel, die sie sich kaufen wollte. Sie verstand nichts von Musik und konnte sowieso nicht beurteilen, ob es ein gelungener Abend war. Sie machte Tom auch nichts mehr vor, sie wiederholte keine Kommentare mehr, die sie irgendwo aufgeschnappt hatte, um ihn zu beeindrucken. Sie küsste ihn nach dem Konzert, und das war’s, und er konnte anscheinend damit leben. Sie taugte nun einmal nicht zur Muse.
    Sie holte sich noch etwas zu trinken, dann ging sie hinter die Bühne.
    Tom stand im Gang, rauchte und unterhielt sich mit einem Kollegen. Als er sie kommen sah, winkte er sie zu sich und legte seine Hand auf ihre Hüften. »Kennst du meine Frau eigentlich?« fragte er seinen Kollegen.
    Der Kollege stockte kurz, schüttelte dann den Kopf und sagte: »Ich wusste gar nicht, dass du ...«
    »Sie lebt nicht in unserer Welt. Sie lebt in ihrem Laden und in ihren Texten«, sagte Tom, »deswegen sieht man sie so selten hier draußen im Leben.«
    Friederike schaute zu Boden. Das sollte ein Kompliment sein. Vielleicht. Und dass der Kollege nichts von ihr wusste? Niemand wusste, dass es sie gab. Tom hatte sie selten mitgenommen, und wenn, dann so, als sei sie eine Bekannte oder eine Affäre, und vielleicht war sie das auch. Er könne seine Gefühle nicht in der Öffentlichkeit zeigen, hatte er immer gesagt. Aber Sex im Park.
    »Das Einzige, was ich heute gelesen habe, waren die Namen der Torten im Lafayette«, sagte sie, um die Situation zu entspannen, »ansonsten habe ich nur gegessen und geschlafen.«
    »Wenn Sie nicht so schlank wären«, sagte der Kollege lachend, der ihr von Moment zu Moment unsympathischer wurde, »dann könnte man meinen, Sie wären schwanger. Bei meiner Frau ging es jedenfalls in allen drei Schwangerschaften so zu.«
    »Ich bin schwanger«, sagte Friederike.
    Toms Miene versteinerte, er starrte Friederike an. Friederike schaute weiter auf den Kollegen, wendete sich dann Tom zu und sagte: »Kleiner Scherz.«
    Tom schaute auf die Uhr, murmelte irgendetwas von einer Verabredung und zog sie hinter sich her nach draußen.
    Am Fahrradständer fragte er sie: »Was sollte das denn?«
    Sie schaute auf seinen Gepäckträger. Dümmer hätte man es nicht anstellen können.
    »Fritz?« fragte er, »hörst du mir zu? Was sollte das?«
    »Nichts«, sagte sie, »ich konnte ihn einfach nicht leiden.«
    »Und ich kann so etwas nicht leiden«, sagte Tom, »tut mir leid.« Dann schloss er sein Rad auf und schob es davon.
     
    Sie blieb stehen.
    Heute hätte einer der schönsten Abende ihres Lebens werden können. Der Anfang von einem neuen Leben. Und jetzt? Jetzt stand sie wieder am Anfang, immer wieder am gleichen Punkt, irgendwie schickte sie sich immer wieder zurück zum Anfang. Sie wusste wirklich nicht, wie das ging, einen Abend aushalten, von dem aus es weiterging. Und wahrscheinlich war sie nicht einmal schwanger, wahrscheinlich war sie so wenig schwanger wie die hundert Male davor.
     
    Zu Hause ließ sie immerhin die Erdnüsse im Schrank. Stattdessen griff sie in ihr Bücherregal. Was hatte er gesagt? Sie lebt in ihrem Laden, ihren Texten. Vielleicht hatte er sogar recht damit. In ihren Händen lag Emile Zola, das Buch, das sie bei ihrer Weiß-Recherche entdeckt hatte. Das Paradies der Damen in einem französischen Kaufhaus konnte wenigstens die Erinnerung an ihren Nachmittag wieder aufleben lassen.
     
    Das zauberhafte Bild der Weißwaren fesselte die Blicke der Damen. Im Vorraum, einer Halle mit großen Spiegelscheiben und Mosaiken, war die Ausstellung der billigen Artikel für die breite Masse untergebracht. Dahinter bildeten in blendendem Weiß die Galerien eine schneeige Landschaft, gewissermaßen Gletscher in hellem Sonnenlicht. Man fand

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