Durch die Hölle in den Himmel (German Edition)
zufällig auch gerade hier verkehren? Bei diesem Gedanken hielt er kurz inne und fiel dann doch noch über seinen eigenen Fehler.
„Ne, da stimmt etwas nicht. Ich glaube die dürfen ohne ihren Mann nirgends hin gehen. Jedenfalls nicht, ohne von einem männlichen Mitglied der Familie begleitet zu werden – oder so ähnlich. Das fehlte ja gerade noch, dass mir eine von den streitbaren Hennen über den Weg läuft, und dann wohlmöglich noch mit einem vielleicht gewalttätigen Muselmann an ihrer Seite.“
Da er diese Möglichkeit nicht gerade als besonders beruhigend empfand, öffnete er die Tür des Cafés, nur mit größter Vorsicht und ließ den Blick schnell, taxierend und dennoch so unauffällig wie möglich, durch die leidlich besetzten Reihen der recht bunt gemischten Kundschaft fliegen.
Acht, vielleicht auch Neun Gäste, die sich an den drei kleinen und ziemlich schmalen Stehtischen verteilten, unterhielten sich miteinander, allerdings, wie deutlich zu erkennen war, ebenso oberflächlich, wie gelangweilt.
Wie es in solchen Momenten üblich ist, schwebten die leeren Worthüllen für einen kurzen Moment stumm fragend im Raum umher, gerade so lange, wie jeder von ihnen brauchte, um seinen Kopf kurz in Richtung Henry zu drehen. Nachdem sie ihn zügig, als einen weiteren Kerl abgetan hatten, setzten sie ihre inhaltlose Plauderei fort, ohne dass auch nur einer von ihnen, den kleinsten Schimmer gehabt hätte, was mit diesem langweilig wirkenden Menschen, über sie hereinbrechen würde.
Henrys Missbehagen löste sich aber schnell in Wohlbefinden auf. Er konnte sein Glück kaum fassen, als er hörte, dass sich diese Menschen tatsächlich, allesamt, in seiner Sprache unterhielten. Niemals hätte er sich vorstellen können, dass ihn eines Tages, eine solche Selbstverständlichkeit, dermaßen in freudige Begeisterung versetzen würde.
Die Beiden hinter der Theke, die sich mit den Bestellungen ihrer Gäste beschäftigten, traten seine Einstellung zu Sauberkeit und Ästhetik jedoch regelrecht mit Füßen. Wenn es nach Henry ginge, dürften beide nicht mit Lebensmitteln in Berührung kommen. Er wäre ja durchaus bereit ein Auge zuzudrücken, wenn es nur um deren Eigenversorgung gegangen wäre. Andere Menschen aber, die auch noch ihr schwer verdientes Geld, für das mit Dreck infizierte Futter, hinlegen mussten, hätten wahrlich etwas Besseres verdient. So darf man seine Kunden nicht bedienen, das ging entschieden zu weit. Sollten sie sich doch mit ihren dreckigen Fingern die eigenen Mägen ruinieren. Für den Umgang mit Lebensmitteln dürften derartige Schmutzfinken jedenfalls keine Konzession bekommen. Henry würde solche Leute zur Not im Heizungskeller arbeiten lassen, oder im Tiefbau, aber wie wollten die ihn mit Kaffee, Kuchen und frisch belegten Brötchen erfreuen? Immerhin harmonierten sie in ihrem äußeren Erscheinungsbild nahezu perfekt. Seine langen, schmierigen Haare passten ebenso gut zu seinen schmutzigen Händen, wie ihre schlampige Kleidung zum schmierigen Grinsen.
„Die beiden dürfen mir höchstens einen Becher Kaffee einschenken, das war’s dann aber auch schon. Ihre belegten Brötchen können sie sich meinetwegen in die Haare schmieren, obwohl ich daran zweifle, dass die noch zusätzliches Fett aufnehmen könnten“ dachte er und gab seiner langen, fast verzweifelten Suche nach einem Café, dann doch nach.
Henry bestellte sich also vorsichtshalber nur einen Kaffee, und hoffte, der würde heiß genug sein, um ihn vor den dreckigen Daumen zu schützen.
Spontan fiel ihm eine Bekannte ein, die viele Jahre, in einem angesehenen Hamburger Café als Serviererin gearbeitet hatte. Eines Tages erzählte sie von einem simplen Trick, mit dem sie ein wenig Freude in ihren tristen Arbeitstag brachte. Bestellte ein Gast, der ihr aus irgendeinem Grund unsympathisch war, einen Kaffee, so spuckte sie unbemerkt in seine Tasse und servierte dann dem ahnungslos Verdammten, sein mit Heimtücke vergiftetes Getränk.
Obwohl der Gast natürlich nichts davon wusste, tat es ihr doch unglaublich gut. Es gab ihr, dem Gast gegenüber, ein köstliches Gefühl der Macht und Überlegenheit. Einzig die Tatsache, dass sie diese Freude mit niemandem teilen durfte, schmälerte den Genuss ein wenig. Denn, solange sie ihren Job behalten wollte, musste sie ihr Vergnügen natürlich für sich behalten.
Henry hätte sich im Moment nicht entscheiden können, welches das kleinere Übel wäre - den Dreck auf den Brötchen noch
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