Durch die Hölle in den Himmel (German Edition)
einmal etwas richtig zu machen und zwar sollte sie ihre eigenen Wege gehen. Oder hatte sie sich inzwischen so sehr an ihn gewöhnt, dass sie die Trennung weniger ertragen hätte?
Aber so genau wollte er das alles ja gar nicht wissen.
Auf jeden Fall war er ziemlich dankbar, dass sie ihn in dieser grässlichen Welt nicht allein ließ.
Seine mühsam geduldete Tischnachbarin holte ihn abrupt aus seinen absolut wertlosen und schwermütigen Gedanken.
„Sie müssen hier neu sein“, sagte sie neugierig, „hab’ Sie hier jedenfalls noch nie gesehen. Kommt ja nicht mehr so oft vor, dass sich ein Deutscher hierher verirrt, wenn er nicht schon hier geboren wurde. Die meisten ziehen doch lieber von hier weg“. Ohne Punkt und Komma brabbelte sie weiter. „Wie gefällt es ihnen denn bei uns? Es gibt vermutlich schönere Plätze auf der Welt, aber so schlecht ist es hier ja auch wieder nicht. Ich war noch nie weg von hier, darum kann ich ja eigentlich auch gar nicht mitreden. Was man aber so vom Fernsehen und aus den Zeitungen kennt, na ja, ist schon schön auf der Welt. Irgendwie. Die schönsten Plätze sind bloß alle so weit weg, und die Menschen von dort kommen hier her, weil sie Zuhause nichts zu futtern haben“.
Henry wollte sie am liebsten weiter reden lassen, denn solange sie plapperte, konnte er wenigstens den Mund halten und weiter seinen Gedanken nachgehen. Doch einen derart abwegigen Wunsch wollte sein Gegenüber beim besten Willen nicht nachkommen.
„Hören Sie mir überhaupt zu?“ Mehr mahnend als fragend blickte sie ihn an.
„Ja, natürlich“ sagte er.
„Aber Sie sagen ja gar nichts.“
„Es macht doch keinen Sinn, wenn wir beide gleichzeitig reden. Oder? Ich kann mir kaum vorstellen, dass dann einer den anderen versteht. Meines Wissens ist es so üblich, dass einer redet, während der andere zuhört.“
„Sagen Sie mal, sind Sie immer so angefressen?“
„Ich bin durchaus nicht angefressen, sondern äußerst nett und freundlich.“ Natürlich musste Henry noch eine spitze Bemerkung hinterherschicken, „Wenn man mich zu Wort kommen lässt, bemerkt man es auch.“
Henry erkannte sofort die Gelegenheit für den Test, ob Nikotin tatsächlich die viel gerühmte, beruhigende Wirkung hat, um eine derart kritische Situation zu retten. Es heißt ja nicht nur, Rauchen beruhigt, sondern verbreitet zudem gute Laune. Er nahm also erst mal einen tiefen Zug und hoffte, ihrer beider Nackenhaare würden sich wieder legen.
Zu seinem Glück gesellte sich unterdessen ein weiterer Gast mit seinen Zigaretten zu ihnen. Während sich der Neue einen Glimmstängel aus der Schachtel fingerte, glaubte die Inhaberin ihn vorsorglich vor Henry warnen zu müssen.
„Mensch Bernd, überlege dir bloß ganz genau, was du jetzt sagen willst, sonst explodiert hier gleich die gute Laune.“
Bei dieser Bemerkung formten sich ihre knallrot bemalten Lippen immerhin schon zu einem passablen Grinsen und machte die Situation ganz erträglich.
„Dieser Mann heißt Henry, und wenn es hier in diesem Stil weiter geht, bestellt sich dieser Mann gleich noch einen Kaffee, damit sich die gute Laune so richtig entfalten kann.“
„Ich bin die Helga und das ist, wie du ja schon gehört hast, unser Bernd. Und die Helga ist jetzt erstmal so lieb und holt dir noch einen Kaffee.“
„Wegen der guten Laune“, rief Bernd ihr nach, bevor sie wieder im Laden verschwunden war.
Von Henry wollte er wissen, ob er denn schon vorher in diesem Café war.
„Ich hab dich hier nämlich noch nie gesehen.“
Kapitel 6
Zwar hatte ihm der Kaffee gut getan, obwohl seine Probleme dadurch weder aus der Welt geschafft waren, noch hatten sie sich irgendwie verbessert. Robert musste einsehen, dass er seine Probleme mit Nadine, so nicht lösen würde, sondern nur vor sich herschob. Dadurch, dass er den Weg nachhause hinauszögerte, machte er sicher alles nur noch schlimmer. Je länger er sie warten ließ, umso heftiger würde ihre Reaktion darauf ausfallen, dass er wieder einmal mit leeren Händen kommt. Bisher kam sie ihm jedesmal, schon wenn er die Wohnungstür aufschloss, erwartungsvoll entgegen. Natürlich kannte er den wahren Grund für ihre Ungeduld, denn selbst Robert war nicht so naiv zu glauben, es sei nur die Sehnsucht nach ihm.
Jeden Tag bat er sie, endlich mit dem koksen aufzuhören, immer und immer wieder.
„Ich schaffe es nicht, ich habe regelrecht Angst davor,“ platzte es aus ihr heraus. „Ich sitz hier den
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