Durch die Hölle in den Himmel (German Edition)
geraucht werden“. Dieser Dreckspatz fügte tatsächlich die lächerliche Begründung an: „Die Brötchen und der Aufschnitt leiden unter dem Qualm, das kann anschließend keiner mehr essen. Nicht nur, dass ich mir die Mühe gemacht hab, die Brötchen so schön zu belegen, das alles kostet schließlich auch Geld“.
In welcher Traumwelt lebt die denn? Eine Frau, die Henry nicht mit der Zange anfassen würde, wollte ihm etwas von Hygiene erzählen? Na, das ist ja großartig. Die sollte mal lieber jeden Morgen, nach dem Aufstehen, einen Blick in den Spiegel werfen. Wenn sie dann nicht freiwillig unter die Dusche gehen und ihre Klamotten einer gründlichen Reinigung unterziehen würde, müsste der Laden eben geschlossen bleiben. Das wäre der erste Schritt, um Schmutz und Krankheiten von den Lebensmitteln und somit von ihren Kunden fernzuhalten.
„Nun mal ganz ruhig, ich wollte keinen Streit vom Zaun brechen, ich wollte rauchen. Vor der Tür darf ich doch wohl“.
„Na klar kannst du da rauchen.“
Ist ja auch egal; Henry wollte rauchen. Also griff er sich seinen Kaffeebecher und ging vor die Tür.
Die Inhaberin schnappte sich ihre Zigaretten, fragte ihr schlampiges Pendant nach einem Feuerzeug und lief mit einem fröhlichen „warte mal, ich komme mit“ hinter Henry her. Sie stellte sich, ihm gegenüber, an den Tisch und nestelte hektisch eine Zigarette aus der Schachtel.
Solange eine handfeste Barriere, wie der massive Tisch, zwischen ihnen stand, war die Welt für Henry noch einigermaßen zu ertragen.
Durch ein lautes Zischen wurde seine Aufmerksamkeit von Helga abgelenkt. Als direkt neben ihnen ein vollkommen überfüllter Linienbus hielt, erkannte er, dass sich der Laden an einer Haltestelle befand.
Unbewusst taxierte er die Fahrgäste, die endlich an ihrem Ziel angekommen waren und sich erleichtert aus der stickigen Luft befreiten. Es schien fast, als würde ein monströses Tier, das üppige, buntgemischte Volk verschiedenster Kulturen, herauswürgen.
„Mit diesem bunten Durcheinander der Dritten Welt, wollen unsere Politiker also, meine Heimat, das „Land der Dichter und Denker“, wieder aufpäppeln“, stammelte Henry ungläubig auf die Szene starrend, während Helga ihn ansah, als hätte sie ihn nicht recht verstanden.
Er bemerkte ihren fragenden Blick und ergänzte seine Äußerung, um nicht in schlechtes Licht zu geraten. „Unser Land und unsere Kultur sind also geistig schon so verarmt, dass wir durch diese Menschen dringend eine Wiederbelebung brauchen“.
„Was redest du denn für ein merkwürdiges Zeug?“
Henry bedauerte inzwischen den Mund überhaupt geöffnet zu haben, ritt sich aber mit jedem weiteren Wort tiefer rein. „Wenn ich das hier sehe, denke ich, die verantwortlichen Banausen in Politik und Wirtschaft haben sich Anregungen aus der Tierhaltung und Zoos geholt? Da werden ältere Bestände, dann und wann mit frischem Blut, zum Beispiel durch Import von Wildtieren, wieder aufgepäppelt“.
Zwischen tiefen Zügen an ihrer Zigarette stieß Helga kopfschüttelnd den Rauch aus und schnaubte verständnislos, „ich glaub du hast sie nicht alle“.
Doch Henry hörte sie nicht, denn die schier unglaubliche Vielfalt an Nationalitäten, die sich aus dem öffentlichen Verkehrsmittel ergoss, nahm seine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch.
Entweder gab es hier kaum noch deutsche Einwohner, oder denen ging es wenigstens noch so gut, dass sie sich ein eigenes Auto leisten konnten. Und wer sein eigenes Auto fahren will, muss dafür arbeiten, der kann sich nicht den ganzen Tag im Café herumtreiben - so wie Henry. Von daher müsste er eigentlich ein zufriedener Mensch sein. Er hatte es nicht mehr nötig, sich den lieben langen Tag mit den Kollegen herumzuschlagen, um sein Geld zu verdienen. Obendrein hat er eine Frau die ihm jederzeit zur Seite steht; wo, wann und wie auch immer, sie ist für ihn da. Und er brauchte sie ziemlich oft. Warum sie nach all den meist schwierigen Jahren noch zu ihm hielt? Darüber wollte er gar nicht erst nachdenken. Vermutlich hatten sie schon zu viel gemeinsam erlebt, um einfach so, ohne einen besonderen Anlass auseinanderzugehen. Vielleicht liebte sie ihn ja auch immer noch, trotz all seiner Eigenarten. Das schien aber doch eher unwahrscheinlich. Kann eine selbstbewusste Frau überhaupt einen Mann lieben, der permanent alles und jedes besser weiß? Wenn eine Frau, nach Meinung ihres Mannes, alles falsch macht, sollte sie schnellstens damit anfangen endlich
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