Durch Himmel und Hoelle
Schweine-, Schaf- und Rindfleisch wurde von einem nahen Bauernhof mit verschiedenen erlesenen Gemüsen und Früchten geschickt, die den spärlichen Produkten aus Agathas Gar- ten weit überlegen waren.
Das beste Porzellan wurde hervorgeholt und das Silber poliert, bis es zwischen den schönen Gläsern nur so blitzte. Wohlgerüche, die einem den Mund wässerig machten, schwebten durchs Haus und brachten Erinnerungen an Delikatessen zurück, die Elysia schon seit Jahren nicht mehr gegessen hatte.
Aber im ganzen Haus herrschte verunsicherte Stimmung, als ob etwas nicht in Ordnung wäre.
Elysia rätselte über die Einladung, während sie in einem Schaff warmen Wassers den Schmutz und Dreck ihrer Tagesarbeit ab- wusch. Sie hatte sich das Wasser selbst heiß gemacht und die vielen Stufen hinaufgetragen, aber es war die Mühe wert, sich in dem seifi- gen Wasser zu entspannen.
Ihre Überraschung, eingeladen zu sein, wurde noch übertroffen, als sie ein wunderschönes, nagelneues Abendkleid an ihrer Kleider- stange hängen sah. Die anderen Kleider hingen wie arme Verwandte daneben.
Nur Agatha konnte so ein Kleid gekauft haben. Aber warum? Welches Motiv steckte dahinter? Agatha war nicht der Typ, der so etwas ohne Grund machte. Warum sollte sie Elysia auf einmal als Gast bei ihrer Einladung haben wollen? War das wieder eines ihrer sadistischen Vorhaben, oder wollte sie sie bloßstellen, um sie dann zu verspotten?
All diese Fragen gingen Elysia durch den Kopf, während sie nach
unten ging und die neugierigen Blicke der Dienstboten spürte. Sie konnte ihre Neugierde gut verstehen. War sie nicht noch heute nachmittag eine von ihnen gewesen?
Elysias Erinnerung an den Abend war unauslöschlich, sie blieb in ihrem Kopf wie der Widerhall eines schrecklichen Alptraums haf- ten. Die Bilder wurden verschwommen und grotesk, und die einzel- nen Szenen wirbelten ihr unzusammenhängend durch den Kopf.
Wie konnte sie je den Anblick ihrer Tante in einem senffarbenen Abendkleid vergessen, das ihr Gesicht wie eine Totenmaske ausse- hen ließ, ihre langen Arme ausgebreitet, um ihre Gäste zu empfan- gen, Squire Masters und seine Töchter: Hope, Delight und Char- mian. Elysia versuchte, sie höflich in ein Gespräch zu verwickeln, aber die Schwestern ignorierten sie und sprachen nur miteinander, oder sie stellten ihr Fragen, um dann über ihre Antworten zu spot- ten, wenn sie eine Meinung äußerte. Die drei wünschten sich offen- sichtlich, daß sich auch ihr Vater so verächtlich verhielt, aber der be- nahm sich ganz anders. Elysia spürte, wie seine vorstehenden Au- gen jede ihrer Bewegungen verfolgten.
Sie fühlte sich in dem dünnen Musselinkleid, das Agatha für sie gekauft hatte, nicht wohl. Es war wirklich sehr schön, aber das De- kollete des Kleides erschien ihr für ein junges, unverheiratetes Mäd- chen zu tief. Ihre Schultern waren über der zarten Spitze, die die sanften Kurven ihrer Brüste kaum verdeckte, nackt. Es war eins der neuen Empirekleider, die in London der letzte Schrei waren - eine Mode, die Kaiserin Josephine populär gemacht hatte.
Die Masters-Schwestern hatten auch diese neuen Empirekleider an, eng unter der Brust, um dann in sanften geraden Falten auf den Boden zu fallen. Aber während Elysias Kleid sie zart umschwebte und ihre Rundungen nur andeutete, sahen die Masters aus wie ge- stopfte Würste. Die Töchter hatten leider die Figur ihres Vaters ge- erbt, der groß und dick war, und sie hatten auch dieselben runden braunen Augen wie er.
Mit jedem Atemzug, den sie machte, fühlte Elysia die Blicke des Squires auf ihren Brüsten, wie sie sich unter dem blaßgrünen Mus- selin ihres Kleides hoben und senkten. Sie sah, wie er langsam und abschätzend ihren Körper musterte, während sie ihm vorgestellt wurde, und als sie ihm in die Augen sah, wurde sie seines hungrigen, begehrlichen Blickes gewahr. Elysia wandte sich beschämt zur Seite und entdeckte den befriedigten und erfreuten Blick ihrer Tante an- gesichts der unverhohlenen Bewunderung des Squires.
Nach dem Essen zogen sie sich in den Salon zurück, um Delight zuzuhören, die sie mit ihrer halbausgebildeten, näselnden Stimme unterhielt und sich dazu selbst sehr fehlerhaft auf dem Klavier be- gleitete. Hope und Charmian kicherten ununterbrochen, während ihre Schwester sang und spielte, bis sie endlich zu einem Ende kam, nachdem sie wirklich jede nur mögliche falsche Note angeschlagen hatte.
Elysia saß neben Squire Masters auf dem kleinen Sofa;
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