Durch Zeit und Raum
daß du mit ihnen fühlst!«
Zillo hob gebieterisch die Hand. »Dem Bösen wurde Einhalt geboten. Solange desgleichen nicht wieder geschieht, braucht ihr uns nicht zu fürchten. Aber laßt es nie wieder geschehen.«
»Nie wieder!« tönte es aus der Menge. »Nie wieder!«
»Die Kirche!« stöhnte Pastor Mortmain. »Das Feuer! Mein Gott, die Kirche brennt!«
Ritchie geleitete Zylle von der Plattform des Galgens und brachte sie zu der Guten Llawcae, die ihrer Schwiegertochter das Kind in den Arm drückte. Brandon, flankiert von Maddok und Davey, sah zu, wie Mutter, Vater und Bruder der brennenden Kirche den Rücken kehrten, über den Vorplatz gingen, vorbei an den beschämten Nachbarn, vorbei an den wachsamen Indianern, und in der Hütte verschwanden.
Er selbst blieb wie angewurzelt stehen und schaute zu, wie die Siedler den lächerlichen Versuch unternahmen, mit Wassereimern das wütende Feuer zu löschen, das bereits die umliegenden Hütten bedrohte. Der schlanke Kirchturm, der eher zur Ehre des Pastors als zur höheren Ehre Gottes errichtet worden war, stürzte in sich zusammen.
Und dann fühlte er die ersten Tropfen auf seiner Haut: Regen!
Es hatte ganz sanft zu regnen begonnen, und es würde weiterregnen, den ganzen Tag; und die dürstende Erde würde das Wasser trinken; und es würde weiterregnen, bis die tiefsten Wurzeln der Bäume und Pflanzen sich sattgesogen hatten. Und der Regen löschte die Flammen, ehe sie an den Hütten der Siedlung Schaden anrichten konnten.
Hinter den drei Jungen stand schweigend das Windvolk. Stumm beobachteten die Männer, wie sich die Siedler langsam, einer nach dem anderen, in ihre Blockhütten zurückzogen. Als auch der letzte verschwunden war und nur noch die drei Kinder auf dem Vorplatz standen, erteilte Zillo einen knappen Befehl, und mit flinken Bewegungen rissen die Indianer den schlecht gezimmerten Galgen nieder, warfen die Balken in die rauchenden Trümmer der Kirche – und gingen heim, immer noch schweigend.
Der Schrecken hatte ein Ende gefunden; aber nichts würde wieder so werden wie einst.
Als Brandon und Maddok in die Stube kamen, trafen sie auf Zillo, der den Kleinen im Arm trug. Der Kessel summte über dem Feuer, und die Gute Llawcae füllte Kräutertee in die Becher: »Um uns zu besänftigen.«
»Ich bin voll Zorn.« Ritchie schaute an Brandon vorbei seiner Mutter ins Gesicht. »Und kein Kraut könnte meinen Zorn heilen.«
»Du hast allen Grund, zornig zu sein«, sagte Richard Llawcae. »Zorn ist nicht Bitternis. Die Bitternis kann eines Mannes Herz und Geist auffressen und kennt kein Ende. Der Zorn legt sich zur gegebenen Zeit von selbst. Der kleine Brandon wird deinen Zorn mildern.«
Zillo reichte den Kleinen an Ritchie weiter, der ihn sich auf die Schulter setzte. Dann wandte sich Ritchie an seinen jüngeren Bruder. »Woher kennst du den Spruch, den du riefst, ehe der Sturm losbrach?«
»Von Zillo.«
»Wann hat er ihn dich gelehrt?«
»Heute nacht. Zillo ließ mich zu sich rufen.«
Zillos unergründliche Augen hielten Richards und Ritchies Blicken mühelos stand. »Ein guter Junge, das Kind.«
Richard Llawcae ließ sich von Zillos starrem Blick nicht beeinflussen. Er legte Brandon zärtlich den Arm um die Schultern. » Die Wege des Herrn sind unerforschlich, und unbegreiflich sind seine Gerichte. Seine Wege sind nicht die unseren, auch wenn wir sie gerne gingen. Uns mag Brandons Gabe unerforschlich bleiben; es genügt zu wissen, daß sie von Gott kommt.« Er griff nach der Bibel und blätterte durch die Seiten, bis er die gesuchte Stelle gefunden hatte: » Der Herr ist treu; er wird euch stärken und bewahren vor dem Argen. Der Herr aber richte eure Herzen zu der Liebe Gottes. Er gebe euch Frieden allenthalben und auf allerlei Weise… «
Brandon war ausgelaugt von Schlafmangel, Angst und Anstrengung. Der Kopf sank ihm vornüber, und im Einschlafen hörte er nur noch undeutlich, wie Ritchie sagte, er könne und wolle nicht länger in der Siedlung bleiben. Er werde mit Zylle und dem Kleinen nach Wales zurückgehen und dort ein neues Leben anfangen…
Mit ihrem Fortgehen hatte die Welt für Brandon an Freude verloren. Eines Tages, er verrichtete eben lustlos seine Arbeit, tauchte Maddok auf, half ihm schweigend, und dann gingen sie gemeinsam ins Lager der Indianer.
Unter der großen, schattenspendenden Krone einer Eiche hielt Maddok an und betrachtete Brandon lange. »Es ist gut, daß Zylle mit Ritchie ging«, sagte er schließlich.
Brandon
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