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Durch Zeit und Raum

Durch Zeit und Raum

Titel: Durch Zeit und Raum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Madeleine L'Engle
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Frevlerin die Hände!« befahl der Mann aus der Stadt.
    »Ich will es besorgen!« bot sich der Gute Higgins an. »Deine Arme, mein Kind!«
    »Zeigt keine Milde, Higgins!« warnte Pastor Mortmain. »Sonst könnten wir meinen, Ihr selbst wäret dem Einfluß des Weibes verfallen, habt Ihr doch auch ihrem verhexten Gefasel gelauscht.«
    Die Gute Llawcae, den Kleinen auf dem Arm, sagte: »Jahr für Jahr sterben unsere Jüngsten am Sommerfieber; das war schon so, lange ehe Zylle zu uns kam. Und nie hätte einer an Zauberei und Verwünschung gedacht.«
    Aus der Menge antwortete zorniges Gemurmel: »Die Hexe hat ein Neugeborenes auf dem Gewissen! Dreht doch auch ihrem Bastard den Hals um!«
    Mit äußerster Anstrengung, doch vergeblich, versuchte Ritchie sich loszureißen.
    »Sobald die Hexe tot ist«, sagte Pastor Mortmain, »werdet auch Ihr wieder Vernunft annehmen und erkennen, daß wir Euch vor den Einflüsterungen des Bösen errettet haben.«
    Die Siedler drängten sich in blutrünstiger Erwartung um den Galgen. Nur Davey Higgins blieb in seinem Haus.
    Der Gute Higgins und Pastor Mortmain führten die gefesselte Zylle über den staubbedeckten Vorplatz und über die Treppenstufen auf die kleine Plattform.
    Brandons Herz klopfte zum Zerspringen. Plötzlich bewegte sich etwas an seiner Seite, und da stand Maddok. Nun wußte Brandon, daß auch die Indianer gekommen waren und sich versteckt hielten.
    »Jetzt!« flüsterte Maddok.
    Und Brandon rief mit lauter Stimme den Spruch, den Zillo ihn gelehrt hatte:
    *
    » In der Stunde, die alles entscheiden kann,
    ruf ich mit Zylle die Himmel an.
    Ich rufe die Sonne im gleißenden Brand,
    ich rufe den sanftweißen Schnee überm Land.
    Ich rufe das Feuer in lodernder Helle,
    ich rufe den Blitz in zorniger Schnelle… «
    *
    Selten brach vor dem frühen Nachmittag ein Gewitter los. Aber jetzt spaltete sich plötzlich der Himmel, und ein ungeheurer Blitz zuckte über das Firmament und schlug mit voller Wucht in die Kirche ein. Fast zur gleichen Zeit erbebte die Erde unter der Gewalt des Donners. Das helle Blau war schlagartig einer schwefelgelben Düsternis gewichen. Aus dem Gebälk der Kirche züngelten die ersten Flammen.
    Die Indianer tauchten wie aus dem Nichts auf. Ihre stumme, drohende Gegenwart lastete schwer über der Siedlung. Einige Männer hoben die Gewehre. Als Duthbert einen Schuß abfeuerte, zuckte der nächste Blitz herab und schleuderte den Burschen zu Boden. Eine lange, häßliche Brandspur schnitt in seinen Arm; die Kugel ging, ohne Schaden anzurichten, ins Leere. Der Kirchturm brannte lichterloh.
    Zillo rannte über den Vorplatz und sprang auf die Plattform des Galgens. »Die Gewehre nieder!« befahl er. »Oder der Blitz schlägt erneut zu. Und diesmal wird er töten.«
    Duthbert stöhnte vor Schmerzen.»Nicht schießen!« keuchte er. »Nicht schießen!«
    Pastor Mortmains Gesicht war haßverzerrt. »Ihr seid verhext! Alle! Verhext! Der junge Llawcae hat Zylles Teufel in sich! Wie sonst könnte er Blitze auf uns niederrufen? Er muß hängen, auch er!«
    Die Indianer drängten näher. Maddok blieb an Brandons Seite. Und dann verließ Davey Higgins die Hütte und stellte sich ebenfalls zu ihm.
    Ritchie riß sich aus der Umklammerung der Männer, die ihn festgehalten hatten, und sprang auf die Plattform. »Brüder und Schwestern!« rief er. »Denkt ihr denn, alle Gewalt sei des Teufels? Was wir soeben erlebten, war ein zorniger Fingerzeig Gottes!« Er kehrte der Menge den Rücken und begann Zylles Fesseln zu lösen.
    Die Stimmung der Menge schlug um. Richard wurde freigegeben, und er trat schweren Schrittes dem Pastor entgegen. »Mortmain, Eure Kirche brennt, weil Ihr ein schuldloses Weib töten wolltet. Nie hätten unsere Freunde und Nachbarn diesem Wahnsinn nachgegeben, hättet Ihr sie nicht mit dem Feuer Eures Hasses betört.«
    Der Gute Higgins rückte vom Pastor ab. »Das stimmt!« rief er. »Die Llawcae waren stets gottesfürchtige Leute.«
    Die Indianer zogen den Kreis enger.
    Ritchie legte den Arm um Zylle. »Die Indianer waren immer unsere Freunde!« schrie er. »Ist dies unsere Art, ihre Freundschaft zu vergelten?«
    »Haltet sie zurück!« keuchte der Pastor. »Haltet die Rothäute zurück! Sie werden uns massakrieren! Verjagt sie!«
    »Warum sollten wir das tun?« schleuderte Ritchie ihm entgegen. »Darf denn der Erbarmungslose Erbarmen fordern?«
    »Ritchie!« gab Zylle zu bedenken. »Du bist nicht wie Pastor Mortmain. In deiner Brust schlägt ein Herz. Sag,

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