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Durch Zeit und Raum

Durch Zeit und Raum

Titel: Durch Zeit und Raum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Madeleine L'Engle
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möglich, daß wir dort auf Gwydyrs Nachfahren stoßen. Nein, ich glaube, wir haben keine andere Wahl; wir müssen nach Patagonien.«
    »Die Echthroi greifen bestimmt wieder an!« Gaudiors ängstliches Wiehern zerwirbelte in silberne Luftschuppen. »Darum schlage ich vor, daß du dich an mir festbindest. Ich fürchte, ein zweites Mal bekomme ich dich nicht wieder zu fassen, wenn dich die Echthroi von meinem Rücken zerren.«
    Charles Wallace schaute sich suchend um. Da war aber nur der Wald, der Felsen, das Tal, das Bergland dahinter. »Ich weiß schon!« rief er plötzlich. »Ich habe im Herbst vergessen, die Hängematte abzunehmen, weil das sonst immer Meg besorgte. Sie muß noch immer zwischen den beiden alten Apfelbäumen ausgespannt sein; ich kann also in einer Minute wieder zurück sein. Die Hängematte ist aus Schnüren geflochten und mit einer starken Wäscheleine an den Bäumen befestigt. Die Leine habe ich selbst in Mortmains Laden gekauft. – He! Mortmain ! Gaudior, glaubst du, daß…«
    »Wir haben nicht die Zeit, gewagte Vermutungen anzustellen«, mahnte Gaudior. »Sieh lieber zu, daß du die Hängematte holst.«
    Charles Wallace lief voran; das Einhorn trabte mit äußerster Vorsicht hinter ihm her, denn der Weg war von Brombeersträuchern gesäumt, und die dornigen Ranken zerrten an seinem silbernen Fell.
    »Da ist sie schon! Mutter will die Hängematte immer so weit wie möglich vom Haus entfernt haben, damit man das Telefon nicht mehr hören kann.« Er begann, an einem Ende die Knoten zu lösen. Die Äste der beiden Bäume waren kahl; nur von den obersten Zweigen baumelten ein paar verschrumpelte und gebleichte Äpfel. Rund um die Stämme roch die Erde nach vermodertem, gärendem Laub.
    »Beeile dich, aber ohne Hast«, riet Gaudior, als Charles Wallace ungeduldig an den verhedderten Knoten zerrte. Seine Finger waren bereits steif vor Kälte.
    Das Einhorn senkte das Haupt über seine Hände und blies warme Luft aus den Nüstern. »Konzentriere dich nur darauf, die Knoten zu lösen. Laß dich nicht ablenken. Aber denke daran: die Echthroi sind nahe.«
    Im warmen Lufthauch waren die Finger bald nicht mehr klamm, und schon ging der erste Knoten auf. Zwei weitere folgten, und das eine Ende der Hängematte plumpste ins Gras. Charles Wallace ging zum zweiten Baum. Dort waren die Knoten um den rissigen Stamm noch fester gezurrt. In verbissenem Schweigen mühte der Junge sich ab, bis auch das andere Ende frei war. Dann sagte er: »Knie dich hin.«
    Charles Wallace zog das Flechtwerk der Matte unter Gaudiors Rumpf. Mit einiger Mühe gelang es ihm, die beiden Leinen über den Rücken des Einhorns zu werfen. Dann saß er auf und wand sie sich um die Taille. »Wie gut, daß Mutter mit der Länge nicht geknausert hat.«
    Gaudior schnaubte. »Hast du dich auch fest angebunden?«
    »Ganz fest. Die Zwillinge haben mir die passenden Knoten beigebracht.«
    »Halte dich trotzdem an der Mähne fest.«
    »Tu ich ja.«
    »Die Sache gefällt mir nicht«, knurrte Gaudior. »Meinst du wirklich, daß wir versuchen sollten, nach Patagonien zu kommen?«
    »Ich bin davon überzeugt.«
    »Mir schwant nichts Gutes.« Trotzdem lief Gaudior los, trabte immer schneller und sprang zuletzt in den Wind.
    Der Angriff erfolgte fast unmittelbar darauf. Die Echthroi hatten das Einhorn und den Jungen umzingelt. Charles Wallace spürte, wie ihm die Hände aus der Mähne gezerrt wurden – aber die Leine hielt. Der Sturmwind quetschte ihm die Luft aus den Lungen und preßte mit gewaltigem Druck die Lider gegen die Augen, doch diesmal gelang es den Echthroi nicht, Charles abzuwerfen. Der Strick spannte sich knarrend immer straffer und zog dabei die Knoten nur noch fester an.
    Gaudiors Atem wehte wie silberne Fahnen. Das Einhorn preßte die Flügel eng an die Flanken, um zu verhindern, daß der Wind der Echthroi sie knickte. So wurden Gaudior und Charles Wallace durch die endlosen Weiten von Zeit und Raum gewirbelt.
    Dann kam ein kalter, übelriechender Wind auf und warf die beiden mit einer Gewalt aus der Bahn, gegen die das Einhorn nicht aufkommen konnte. Hilflos stürzten sie in eine ungeheure Finsternis.
    Sie schlugen auf.
    Der Anprall war so heftig, daß Charles Wallace gerade noch denken konnte: Jetzt haben uns die Echthroi gegen die Felsen geschleudert! Das ist das Ende! Dann verlor er das Bewußtsein.
    Aber noch waren sie nicht gelandet. Sie taumelten weiter durch Dunkelheit und Kälte. Charles kam wieder zu sich, schwer keuchend vor

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