Durst - Roman
gleichkäme.
Gleichwohl gab mir unser Gespräch zu denken. Abgesehen davon, dass ich es nicht mochte, von einem wie Brechbühl Tipps zu erhalten, hätte ich ihm ja gern bewiesen, dass ich durchaus etwas schreiben kann, das sich auch absetzen lässt.
So liess ich mich im neuen Telefonbuch unter falschem Namen als Privatdetektiv eintragen. Keine Ahnung, was ich mir dabei dachte. Vielleicht hielt ich das für eine Art, Nachforschungen anzustellen. Um einen Krimi zu schreiben, brauchte ich geeigneten Stoff, und den musste ich mir ja irgendwoher besorgen.
Lange geschah nichts. Meine Bekannten wunderten sich, weshalb ich neuerdings nur noch ein fragendes «Ja?» am Telefon vernehmen liess. Dann, eines Tages meldete sich eine Männerstimme.
«Spreche ich mit Herrn Arnold?»
«Jawohl, am Apparat.» Ich war aufgeregt.
Der Mann zögerte: «Kann ich mich auf Ihre Diskretion verlassen?»
«Absolut, das gehört zur Branche wie die Pfeife zum Holmes!»
«Wie bitte?»
«Ich wollte damit sagen, dass Sie sich vollkommen auf meine Diskretion verlassen können.»
«Gut, es geht nämlich um eine sehr delikate Angelegenheit …»
«Nur frisch von der Leber damit.»
Der Mann räusperte sich. «Es handelt sich um meinen Lebenspartner …»
«Ihren Lebenspartner.»
«Ich glaube, er betrügt mich. Ich kann es zwar nicht beweisen, aber ich bin mir ziemlich sicher.»
«Ja?»
«Sie sollen mir den Nachweis erbringen. Wenn es stimmt, dass er mich betrügt, setz ich ihn sofort auf die Strasse. Ich will aber nichts unternehmen, bevor ich nicht Gewissheit hab. Ich würde mich gern mit Ihnen treffen, dann kann ich Ihnen weitere Informationen geben.»
Ich überlegte, ob das wirklich der Stoff war, aus dem man Krimis schreibt.
«Hallo?»
«Ja, mh, wissen Sie … Ich muss Sie leider enttäuschen. Beschattungen gehören nicht zu meinen Kernkompetenzen. Wenn Sie sich bitte an meinen Kollegen wenden würden? Warten Sie, ich geb Ihnen die Nummer.»
Ich schlug im Telefonbuch nach und nannte ihm den Namen und die Nummer des Privatdetektivs, der in seinem Eintrag auch das Wort Observationsdienstleistungen aufführte. Der Mann bedankte sich und legte auf.
Es verging über eine Woche bis zum nächsten Anruf. Diesmal war es eine Frau.
«Guten Tag. Herr Arnold?»
«Exakt, so heisse ich.»
«Kann ich mich auf Ihre Verschwiegenheit verlassen?»
«Keine Frage!»
«Es ist in der Tat unabdingbar, wissen Sie. Mein Gemahl ist nämlich Anwalt, ein vielbeschäftigter Mann … Er darf von unserem Gespräch nichts erfahren.»
«Machen Sie sich keine Sorgen, von mir erfährt ers nicht.»
Sie wurde plötzlich misstrauisch. «Sind Sie schon lang in dem Beruf tätig?»
«Ich hab mich vor drei Jahren selbständig gemacht. Zuvor war ich bei der Polizei.»
«Gut. Hören Sie, es handelt sich um unsere Haushaltshilfe. Kolumbianerin. Sie stiehlt. Zuerst nur kleine Sachen, eine Gabel, eine Packung Spaghetti. Mittlerweile ist sie zu Wertvollerem übergegangen. Eine Flasche Wein, eine seltene Blumenvase. Ich hab sie zur Rede gestellt. Wissen Sie, was sie darauf geantwortet hat?»
Weil ich nicht gleich begriff, dass das eine rhetorische Frage war, sagte ich: «Nein?»
«Sie meinte, sie benötige mehr Lohn!»
«So was …»
«Wenn man bedenkt, wie viel ehrliche Menschen froh wären, überhaupt eine Arbeit zu haben … Doch das tut hier nichts zur Sache. Ich und mein Gemahl sind entschlossen, sie zu entlassen. Aber zuvor möchte ich die Vase zurück. Ihre Aufgabe ist es, diese ausfindig zu machen und mir zurückzubringen.»
«Weshalb gehen Sie nicht zur Polizei?»
Die Frau wechselte in die nächsthöhere Oktave: «Aber dann würde sie ja unverzüglich des Landes verwiesen! Sie ist halt ohne Papiere hier … Hören Sie, wir sind doch keine Unmenschen. – Wann können wir uns treffen?»
«Wegen einer Vase?»
«Ich hab Ihnen bereits gesagt, dass sie selten ist. Ein Erbstück meines Gemahls. Ich bezahle im Voraus, und wenn Sie die Vase zurückbringen, erhalten Sie den restlichen Betrag.»
Ich stellte mir vor: «Die Vasendiebin». Das reichte nicht mal für eine Kurzgeschichte.
«Es tut mir leid, aber zur Zeit bin ich voll und ganz ausgelastet. Wenn Sie sich vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt an mich wenden möchten …»
«Warum sagen Sie das nicht gleich von Anfang an?!»
«Sie haben mich nicht danach gefragt.»
Einige Tage später hatte ich wieder jemanden am Telefon.
«Ja?»
«Hallo!»
«Ja?»
«Sie sein Privatdetektiv?» Der Mann sprach
Weitere Kostenlose Bücher