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Durst - Roman

Durst - Roman

Titel: Durst - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Limmat-Verlag <Zürich>
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Für sich selbst hatte sie einen Früchtetee gemacht. Ich wartete vergeblich darauf, ihr Blick, der auf ihren rotlackierten Fingernägeln ruhte, würde sich mir zuwenden.
    «Ich möchte Ihnen mein herzliches Beileid aussprechen …»
    Sie reagierte nicht.
    «Ich kannte Ihren Mann nicht gut, ich hatte ihn gerade ein einziges Mal gesehen – vermutlich an dem Abend, als er …» Ich unterbrach mich, denn Frau Slavkovi ć hatte ihre kalten Augen auf mich gerichtet.
    Sie erinnerte mich ein wenig an Mira Markovi ć , Miloševi ć s Frau. Wie diese trug sie ihr schwarzes Haar zu einem Pony geschnitten. Tatsächlich hatte ich unter den Büchern eine Autobiografie von Mira Markovi ć entdeckt. Frau Slavkovi ć s Gesichtszüge waren nicht ganz so hart, aber sie war bestimmt noch bleicher als die einflussreiche Präsidentengattin.
    Ich zog die Couverts aus meiner Jackentasche und legte sie auf den Tisch. «Ihr Mann, wie Sie sicher wissen, hat mich beauftragt, die Person ausfindig zu machen, die ihm diese Drohbriefe geschrieben hat. Leider bin ich nicht sehr weit gekommen …» Ich räusperte mich.
    «Selbstverständlich erstatte ich Ihnen die Anzahlung zurück, die er mir gegeben hat. Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie unangenehm es mir ist … Wie sehr ich es bedaure, dass ich diese schreckliche Tat nicht verhindern konnte … Ich hoffe, die Polizei kriegt den Mörder schon bald zu fassen …»
    «Die Polizei …», murmelte Frau Slavkovi ć .
    Ich sah sie aufmerksam an.
    «Die Polizei? Die Polizei war schon hier. Ich …» Sie richtete sich in ihrem Sessel auf. «Ich meine, was machen sie dann mit dem Mörder? Stecken ihn in eine Zelle mit Tageslicht, Farbfernseher und Bad.» Sie bewegte den Kopf langsam hin und her. «Neinnein – behalten Sie das Geld. Finden Sie heraus, wer die Briefe geschrieben hat. Ich gebe Ihnen das Doppelte von dem, was Zoran Ihnen versprochen hat.»
    Ich dachte einen Moment nach. Ich fürchtete, das Ganze könnte mir über den Kopf wachsen. Noch sass mir der Schreck über den grausamen Mord in den Gliedern. Zugleich war mir bewusst, dass ich mir wohl kaum eine spannendere Ausgangslage für einen Krimi hätte ausdenken können.
    «Und dann, was beabsichtigen Sie?», nahm ich das Gespräch wie der auf.
    Ein seltsames Lächeln huschte über ihr Gesicht: «Lassen Sie das meine Sorge sein.»
    Ich schob meine Zweifel beiseite. Wir einigten uns auf das neue Honorar, ich liess mir die wöchentliche Deckung der Spesen zusichern und versprach, sie regelmässig über den Stand der Ermittlungen zu informieren.
    Zum Schluss fragte ich sie nach verdächtigen Personen. Sie dachte lange nach, öffnete ein paar Mal den Mund, sagte dann aber doch nichts.
    «Ihr Mann war überzeugt, er habe viele Neider. Vor allem unter den bosnischen Muslimen und den Kosovaren. Können Sie mir darüber etwas sagen?»
    «Schon möglich. Wer Erfolg hat, hat auch Neider.»
    «Aber wer könnte an seinem Tod ein Interesse haben?», versuchte ich mich verständlich zu machen.
    «Die Person, welche die Briefe geschrieben hat!», sagte sie bestimmt.
    Ich überlegte. «Was ist mit Mehmet Taliqi – sie waren immerhin direkte Konkurrenten?»
    Sie zuckte mit den Achseln. «Das glaube ich nicht. Mein Mann war zwar nicht gut auf ihn zu sprechen. Aber es gab doch genug Arbeit für beide.»
    Ein Schweigen trat ein. Frau Slavkovi ć s Blick ruhte wieder auf ihren Händen. Ich wartete eine Weile, bevor ich sagte: «Mir ist da zu Ohren gekommen, ihr Mann habe schmutziges Geld investiert, Geld aus dem Drogenhandel …»
    «Keine Ahnung.»
    «Glauben Sie, dass was Wahres dran ist?»
    Ihr Augen wurden zu schmalen Schlitzen. «Fragen Sie mich nicht. Mein Mann hat niemals mit mir über seine Geschäfte geredet.»
    Ich versuchte abzuschätzen, wie weit ich gehen durfte. «Ich meine, hätten Sie Ihrem Mann etwas in der Art zugetraut …» Ich erschrak, weil sie ein unmenschliches Zischen ausstiess, und fügte beschwichtigend hinzu: «Oder dürfte es sich dabei um Rufmord handeln – Lügen, die in die Welt gesetzt werden, um Ihren Mann schlechtzumachen?»
    Noch während ich sprach, spürte ich, dass ich gegen eine Wand redete. Ihr Blick ging durch mich hindurch, ihr Körper hing schlaff im Sessel.
    Ich atmete auf, als die Tür hinter mir ins Schloss fiel. Ich beschloss, einen Umweg zu machen, und kam über den Abstieg durch den Wald zur Hinter-Emmenweid. Entlang der Emme an verrussten Fabrikhallen und verschachtelten Produktionsgebäuden vorbei gelangte ich

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