Dystopia
dem Gehweg auf den Rasen, kam drei Schritte auf sein Fenster zu, ohne ihn dabei aus den Augen zu lassen. Sie blieb stehen und schaute weiter zu ihm hoch.
Dann sagte sie: «Travis.»
Während er sich ein T-Shirt überstreifte und eine Jeans anzog, ging er im Kopf alle in Frage kommenden Erklärungen durch. Viele gab es nicht. Er dachte daran zurück, wie Paige im Sommer vor zwei Jahren die Identität «Rob Pullman» für ihn erschaffen hatte. Er hatte zugesehen, wie sie den Namen in sämtliche Datenbanken einspeiste, auf die es ankam – auf Bundesebene, Landesebene, kommunaler Ebene. Rückwirkend für volle vier Jahrzehnte. Danach hatte sie alle digitalen Fußspuren gelöscht, die sie dabei hinterlassen hatte, und die Informationen sogar von ihrem eigenen Computer in Border Town restlos entfernt. Kein einziger Datensatz blieb übrig, nichts Ausgedrucktes. Seinen neuen Namen mit seinem alten in Verbindung zu bringen, war ebenso unmöglich wie der Versuch, aus einer Schale Wasser eine Eisskulptur zu rekonstruieren.
Paige war die Einzige, die dieses Mädchen bei ihm vorbeigeschickt haben konnte.
Travis zog die Wohnungstür hinter sich zu und lief ins Erdgeschoss, wo ihn das Mädchen draußen vor der Glastür erwartete. Das Taxi hatte sie bereits fortgeschickt.
Travis stieß die Tür auf und trat in die Nacht hinaus.
«Was ist los?», fragte er. «Worum geht es?»
Nun, wo er ihr gegenüberstand, trat ihre Nervosität noch deutlicher zutage. Sie nestelte am Riemen eines Rucksacks herum, den sie um die Schulter gehängt hatte. Bei seinem Anblick schien sie kurz zu erschrecken. Machte den Eindruck, als wäre sie am liebsten zurückgewichen, beherrschte sich aber wieder.
«Sie fahren», sagte sie. «Dann erkläre ich Ihnen alles.»
«Auf die I-285. Zum Hartsfield-Jackson-Flughafen.»
Travis bog an der Parkplatzausfahrt rechts ab.
Das Mädchen schien weiterreden zu wollen, aber da klingelte ihr Handy. Sie rutschte auf dem Sitz herum und zog es aus der Hosentasche, drückte auf den Lautsprecherknopf und legte es dann auf ihren Rucksack, den sie jetzt auf dem Schoß liegen hatte.
«Hallo?»
«Miss Renee Turner?», fragte eine Männerstimme.
«Ja.»
«Hi. Hier Richard von Falcon Jet. Ich wollte Ihnen bloß Bescheid geben, dass Ihr Flugzeug wieder aufgetankt ist und jederzeit für Sie bereitsteht. Die Flugzeit nach Washington, zum Dulles International, wird eine Stunde und fünfzehn Minuten betragen. Hat Ihr Gast irgendeinen besonderen Getränkewunsch?»
Das Mädchen warf Travis einen Blick zu. Er zuckte die Achseln.
«Die Getränke an Bord genügen vollauf», sagte sie. «Wir werden bald bei Ihnen sein.»
«Gut, prima.»
Sie beendete das Telefonat und legte das Handy auf die Mittelkonsole. Sie wirkte noch immer nervös. Sie umschloss den Rucksack und drückte ihn an sich, er sackte platt in sich zusammen. Viel konnte sich nicht darin befinden.
«Renee», sagte Travis. «Freut mich, Sie kennenzulernen.»
Kurz wirkte sie verwirrt. «Oh, Entschuldigung, nein. Ich bin Bethany. Bethany Stewart.»
Sie streckte ihm eine winzige Hand entgegen. Travis schüttelte sie.
«Renee ist nur eine Tarnung», erklärte sie. «Die gibt es in Wirklichkeit gar nicht.»
«Für jemanden, den es nicht gibt, hört sie sich aber ziemlich wohlhabend an.»
«Bei Gelegenheit erzähle ich Ihnen mehr über sie.»
«Einverstanden.»
«Ich gehöre zu Tangent. Wie Sie wohl schon erraten haben dürften.»
Travis nickte.
«Ich hätte ja im Voraus angerufen», sagte sie, «aber ich hatte die Befürchtung, dass Sie nach den ersten fünf Worten auflegen würden und dann längst über alle Berge wären, wenn ich bei Ihnen auftauchte.»
«Warum hat Paige denn nicht angerufen? Sie weiß doch, dass ich bei ihr nie auflegen würde.»
Bethany antwortete erst nach kurzem Schweigen. «Paige ist der Grund, warum ich hier bin. Sie hatte nur wenig Zeit, deshalb hat sie nur mich angerufen. Selbst dafür war ihre Zeit fast zu knapp.»
Travis wartete, dass sie weiterredete, doch sie nahm stattdessen ihr Handy von der Konsole, schaltete das Display an und rief etwas auf, das aussah wie ein Datenverzeichnis.
«Dieses Telefon zeichnet jeden Anruf automatisch auf», erklärte sie, wählte eine Datei auf dem Display aus und aktivierte sie. Eine Tonaufzeichnung begann zu spielen.
Travis hörte zunächst Bethanys Stimme. Sie wollte eben hallo sagen, als Paige auch schon losredete, sehr hastig und wie in Panik, hörbar
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