E-Bike Tour de Suisse (German Edition)
Ansehen bei Claudia wächst immer mehr. Im Stillen denkt sie für sich: Es gibt noch viele Bereiche, wo ich ihn zur höchsten Vollkommenheit führen kann. Ich brauche nur etwas Geduld.
Mit meiner Hilfe und Anleitung und vielen Trainingsmaßnahmen wird er in allem perfekt werden, was wichtig ist. Schließlich verlangt auch der Haushalt stets ‚Nur das Beste‘. Nach dem Essen muss der Tisch abgeräumt werden. Das schmutzige Geschirr vom Mittagessen muss zunächst in die Spülmaschine eingeräumt, dann wieder ausgeräumt und anschließend wieder in den Schrank eingeräumt werden.
Glücklicherweise kann er das inzwischen schon, aber es gibt ja noch viel mehr im Haushalt zu tun. Kochen hat er immer noch nicht gelernt. Abstauben, putzen, Staub saugen das ist alles noch nicht perfekt. Der Boden in Küche und Bad muss feucht gereinigt werden. Insbesondere das Parkett in der Küche darf nicht im Wasser schwimmen, dabei quillt es auf und geht kaputt. Und bei den Einkäufen kann er gerne auch mehr Initiative ergreifen und sich überlegen, was wir zum Frühstück, Mittag- und Abendessen haben wollen.
Aber damit nicht genug. Die Türen in den Küchenschränken klemmen und müssen dringend neu eingestellt werden. Im Keller gibt es jede Menge kaputte Schalter und alte Steckdosen, die ausgewechselt werden müssen. Heute früh hatten wir kein warmes Wasser mehr. Die Wasserarmatur in der Küche ist undicht und tropft.
Ob das Auswechseln der Dichtung reicht oder die Armatur komplett ausgewechselt werden muss, das kann doch ein so hervorragender Ingenieur wie Martin beurteilen und natürlich auch gleich erledigen. Auch ist der Garten total verwildert und der Rasen muss dringend gemäht werden.
Claudia weiß aus Erfahrung. Sie hat drei Kinder zu lebenstüchtigen und angesehen Mitgliedern unserer Gesellschaft herangezogen und ihnen alles beigebracht, was für das Leben und zur Führung eines Haushalts wichtig ist. Wenn es ihr gelungen ist, ihre Kinder so hervorragend zu erziehen, warum soll ihr dies nicht auch mit Martin gelingen, der ja so intelligent und in (fast) allem so perfekt ist. Er wird mir bald eine große Hilfe sein.
Und je mehr er im Haushalt mithilft, desto schneller sind wir fertig und umso mehr Zeit haben wir für unsere gemeinsame Siesta. Und was er da alles mit mir anstellt, da ist er ja schon ganz einzigartig und wirklich perfekt. Soweit ihm im Haushalt die Perfektion noch fehlt, werde ich ihm diese schon beibringen.
Martin bemüht sich, alle Aufgaben zu erledigen, so gut er es eben kann. Allmählich reift in ihm jedoch die Erkenntnis: Die Perfektion, die er als Ingenieur immer angestrebt hat, kann er im Haushalt nie erreichen. Er muss erkennen: Er ist nicht perfekt. Im Haushalt befindet er sich eher auf dem Niveau eines Lehrlings.
Diese Erkenntnis löst in ihm einen tiefen Zwiespalt aus. Einerseits fragt er sich, warum es für ihn überhaupt wichtig sein soll, im Haushalt perfekt zu werden. Wenn Claudia nicht da ist, verhungert er ja trotzdem nicht. Er geht dann halt zum nächsten Metzger und besorgt sich dort ein Essen, oder er geht in die Wirtschaft zum Essen.
Wenn er das mathematisch genau kalkuliert, was es für ein Aufwand ist, ein Mittagessen zu kochen: In mehreren Läden einkaufen, auf mehreren Töpfen kochen, Tisch decken und anschließend wieder abräumen, Geschirr abwaschen, Küche putzen, Geschirr in den Schrank einräumen, das ist doch alles ein riesiger Aufwand. Und dann stellt Claudia beim Kochen plötzlich fest, dass ein Gewürz oder eine andere wichtige Zutat ausgegangen ist und jagt ihn nochmals zum Einkaufen.
Dieser riesige Aufwand nur für sie beide, nur für zwei Personen. Ihr Haushalt ist einfach wahnsinnig schlecht organisiert. Wenn seine frühere Firma so schlecht organisiert wäre, wäre sie schon längst pleite.
Claudia erträgt keinerlei Verbesserungsvorschläge und auch keinen Hauch von Kritik. „Wenn du alles besser weißt, kannst du dich ja alleine um den Haushalt kümmern“, kriegt er dann als Antwort, „Du hast ja sowieso den ganzen Tag nichts zu tun.“
Wenn er ihr etwas von Outsourcing erzählt oder womöglich mit einem Fertigmenü vom Metzger ankommt, rastet sie total aus. Dabei ist das Essen vom Metzger oder das Tagesmenü in der nächsten Kneipe doch wesentlich günstiger und praktischer. Schließlich hat er die letzten 45 Jahre von Montag bis Freitag stets in irgendwelchen Kantinen oder Mensen zu Mittag gegessen. Wie man sieht, ist er dabei nicht verhungert. Im
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