Timoken und der Trank der Unsterblichkeit
Prolog
Mein Name ist Charlie Bone. Ich bin dreizehn Jahre alt und wohne in einer Stadt, die von meinem Vorfahren, einem afrikanischen König, erbaut wurde.
Ich habe mir schon immer Gedanken über diesen Mann gemacht, der als Roter König bekannt ist. Mir wurde erzählt, dass er ein Magier war, der einen scharlachroten Umhang trug. Doch niemand schien zu wissen, warum er sich einst so weit von seiner Heimat entfernt niedergelassen hatte.
Als ich etwa zehn Jahre alt war, geschah etwas Merkwürdiges mit mir. Ich konnte auf einmal die Stimmen von Personen hören, die auf Fotos abgebildet waren. Einige dieser Leute waren bereits tot. Und meine seltsame Gabe entwickelte sich weiter, als ich das alte Gemälde eines Hexenmeisters betrachtete. Diesmal hörte ich den Mann nicht nur, ich reiste auf direktem Wege zurück ins sechzehnte Jahrhundert und betrat seine schäbige alte Kammer. Meine Großmutter meinte, ich hätte meine „Gabe“ vom Roten König geerbt, und ich wurde zur Bloor-Akademie geschickt, einem Internat, das ich nur am Wochenende und in den Ferien verlassen durfte.
Die Akademie wurde von einem verschrobenen alten Mann namens Ezekiel Bloor geleitet. Er war einhundert Jahre alt und so etwas wie ein Zauberer. Er stammte ebenfalls vom Roten König ab, genau wie einige der Schüler, die ich dort kennenlernte. Es gab insgesamt zwölf von uns und wir wurden die Sonderbegabten genannt.
Im letzten Jahr gab es viele Veränderungen an der Akademie, aber wir Sonderbegabten erledigten unsere Hausaufgaben nach wie vor im Königszimmer, wo das Porträt des Roten Königs noch immer zwischen den Bücherregalen hing. Die Farbe war mittlerweile ganz rissig und das Gesicht des Königs nur noch schemenhaft zu erkennen, doch in seinen Augen lag eine Art verheißungsvolles Funkeln und ich wusste, dass er dort war und auf mich wartete.
Es war mein Großonkel Paton, der vorschlug, dass ich beim Schreiben dieses Buches helfen sollte. Er hatte gerade die Tagebücher unseres entfernten Cousins Bartholomäus Bloor gelesen.
Bartholomäus ist ein berühmter Forschungsreisender, und als er in Afrika war, hörte er eine uralte Geschichte über einen Jungen und ein Kamel. Dieselbe Geschichte tauchte auch in Ägypten auf. Das machte Bartholomäus neugierig. Wo auch immer er hinkam, fragte er nach dem Jungen und dem Kamel. Und er war erstaunt, auch in Griechenland und in der Türkei sowie in den Städten rund um das Mittelmeer auf dieselbe Geschichte zu stoßen. Oft wurden ihm Höhlen und Gemäuer gezeigt, in denen eingeritzte Bildnisse gefunden worden waren. Unter ihnen befand sich immer wieder die Darstellung eines Jungen auf einem fliegenden Kamel, als wäre es eine Art Unterschrift.
Bartholomäus begann daraufhin Landkarten anzulegen, auf denen er die Orte einzeichnete, wo er die Geschichten gehört hatte. Manchmal wunderten ihn die Antworten der Leute, wenn er nach dem Jungen und dem Kamel fragte, denn einige der Zeitangaben ergaben überhaupt keinen Sinn. Doch wenn sie stimmten, waren weder der Junge noch das Kamel in zweihundert Jahren gealtert.
In einer einsamen Schenke in den Pyrenäen ahnte Bartholomäus zum ersten Mal, dass er über eine Geschichte gestolpert war, die unmittelbar mit ihm und seiner Familie zusammenhing. Der Gastwirt hatte sie von seiner Urgroßmutter, die alles über das Dorf und seine Vergangenheit wusste. „Ganz recht, da war ein Kamel“, sagte er. „Und es konnte fliegen, daran besteht kein Zweifel. Ohne das Kamel würde sich doch niemand an den Jungen erinnern.“
Plötzlich meldete sich eine alte Frau zu Wort, die in der Ecke saß. „Das ist nicht wahr. Natürlich würde man sich an den Jungen erinnern. Er war ein Magier. Ein afrikanischer König. Er konnte Regen und sogar Gewitter heraufbeschwören und er konnte mit Tieren sprechen. Mithilfe dieses roten Umhangs, den er trug, war er zu fast allem fähig.“
Ein afrikanischer König? Ein Magier in einem roten Umhang? Bartholomäus erzählte später, dass ihm fast das Herz in die Hose gerutscht sei. Schlagartig war ihm bewusst geworden, dass er rein zufällig den Spuren seines eigenen sagenumwobenen Vorfahren gefolgt war, den Spuren des Roten Königs.
Die Sommerferien hatten gerade begonnen, als mich Onkel Paton eines Tages anrief. „Es geht um unseren berühmten Vorfahren, Charlie, um das Buch, das ich über ihn schreibe. Kannst du nach dem Frühstück im Laden vorbeikommen?“
Der Laden war Ingledews Buchladen. Onkel Paton wohnte dort mit
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