E-Bike Tour de Suisse (German Edition)
Gegenteil, er hat in dieser Zeit sein Gewicht um 30 % gesteigert, worauf er, vertraulich unter uns gesagt, aber gar nicht stolz ist.
Zugegeben: Claudia kocht viel besser als die Profiköche in der Kantine, und natürlich ist das, was Claudia an Zutaten zum Essen einkauft, viel wertvoller. Sie kauft fast ausschließlich biologisch-dynamische Waren ein, und die Zusammensetzung ihrer Mahlzeiten ist viel ausgewogener und gesünder als das, was er in der Kantine immer vorgesetzt bekam.
Trotzdem: Soll er deshalb einen großen Teil seines Lebens in der Küche verbringen? Dazu hat er keine Lust und das sieht er auch nicht ein. Er will seine Zeit mit sinnvollen Aufgaben verbringen, die ihm auch Spaß machen.
Claudia jedoch ist wie immer voll und ganz von seiner Lernfähigkeit überzeugt. Was den Haushalt betrifft, ist er zwar (noch) nicht perfekt, aber ein gutes Mittelmaß wird sie ihm schon beibringen können. Und sie denkt für sich. ‚Mit viel Geduld kann ich ihn auch noch zu einem guten Koch machen. Zu einem Spitzenkoch wird er es zwar nicht schaffen, aber Salat kriegt er schon ganz gut hin und für anspruchsvollere Mahlzeiten muss er halt noch etwas lernen‘.
Martin soll sich nur selber auch etwas Mühe geben. Vorsichtig bereitet sie ihn darauf vor, dass sie ihn für höhere und anspruchsvollere Aufgaben eingeplant hat. „Ich bin überzeugt, mit deinen Fähigkeiten und deiner Begabung wirst du ein hervorragender Koch werden“, meint sie, „ich werde für dich einen Kochkurs veranstalten, und schon bald wirst du auch beim Kochen perfekt sein.“
„Es reicht!“, schreit Martin sie an, als Antwort auf ihren Vorschlag. „Du verbiegst mich permanent in eine Richtung, in die ich nicht gehen will und die meiner Natur und meinen Wünschen total entgegensteht. Ich habe mich auf den Ruhestand gefreut, weil ich endlich mal Zeit für mich haben will und endlich mal das tun möchte, was mir Spaß macht und nicht nur das, was meine Chefs für wichtig erachten. Nun willst offensichtlich du mein Chef sein. Da war die Arbeit bei ‚Nur das Beste‘ noch tausendmal befriedigender als das, was du mir nun permanent zumutest. Ich habe die Nase voll!“
Nach einer Denkpause lässt er die Katze aus dem Sack. „Ich kaufe mir nun ein Elektrofahrrad und mache eine Tour ganz hoch hinaus in die Gipfel der Alpen!“
Claudia bricht in Tränen aus. So kennt sie ihn gar nicht. Er war immer ihr lieber und netter Martin. Und nun das. „Was habe ich denn getan, dass du mich plötzlich nicht mehr liebst?“, fragt sie.
Martin versucht sie zu beruhigen, soweit dies eben nach diesem Eklat noch möglich ist. „Ich war 40 Jahre bei meiner alten Firma ‚Nur das Beste‘ eingespannt. Und nun hast du mich in den Haushalt eingespannt. Ich bin nicht als Hausmann angestellt. Ich muss einfach raus und Abstand gewinnen.“
Nach langem Zögern leuchtet seiner Claudia das schließlich ein. „Aber warum willst du dann alleine losfahren? Und dann noch mit einem Fahrrad. Auch wenn es eine elektrische Unterstützung hat, das ist doch viel zu gefährlich. Du weißt selber, wie unvorsichtig manche Autofahrer an die Radfahrer heranbrausen. Für den Fahrradfahrer ist das extrem gefährlich.“
„Und außerdem“, fährt sie fort. „Du hast einen zu hohen Blutdruck, du hast Rheuma und Diabetes hast du auch noch. Was kann denn da auf so einer anstrengenden Tour alles passieren. Womöglich kippst du mir vor Erschöpfung oder Unterzuckerung noch um oder kriegst gar einen Schlaganfall. Und dann wird es auf den Gipfeln der Berge entweder ganz kalt oder ganz heiß sein. Außerdem regnet es seit Wochen. Du hast so ein tolles Auto. Lass uns doch gemeinsam mit dem Auto ein paar Wochen in den Bergen verbringen. Da können wir wandern. Das ist viel angenehmer, lange nicht so gefährlich und wir haben beide was davon. Alleine verreisen ist doch langweilig.“
Martin lässt sich nicht erweichen. „Seit über 45 Jahren bin ich fast ausschließlich mit dem Auto unterwegs. Ich will mir nun 2 Wochen ohne Auto gönnen. Die Bewegung wird mir gut tun. Meine Ärztin sagt mir immer wieder, wenn ich von meinen hundert Kilogramm Gewicht 10 kg wegkriege, werde ich vielleicht gar keine Medikamente mehr oder zumindest weniger brauchen. Die Krankheiten die ich habe sind alles Wohlstandskrankheiten, weil dein Essen einfach zu gut ist und ich mich zu wenig bewege.“
„Wenn ich nach den zwei Wochen dann mit viel mehr Muskeln und weniger Gewicht zu dir ins Bett komme, wirst du
Weitere Kostenlose Bücher