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E-Book statt Papierkonserve

E-Book statt Papierkonserve

Titel: E-Book statt Papierkonserve Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlies Michaelis
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Station liegt am Rhein, in der Mainzer Druckwerkstatt von Johannes Gutenberg. Die effizientere Vervielfältigung von längeren Texten, die inzwischen als Bücher bezeichnet wurden, hatte eine ungeahnte gesellschaftliche Dynamik zur Folge, wie die Verbreitung reformatorischer Gedanken oder der Traktate zur Hexenverfolgung. Anhand der Wirkungsgeschichte des „Hexenhammers“ wird deutlich, wie Bücher und soziales Handeln wirkungsvoll – aber auch verhängnisvoll – miteinander verknüpft sein können. Schließlich geht es um das Über-Medium, das wir alle kennen und in dessen Einflussbereich nun auch das Buch hineingleitet: das World Wide Web. Es ist unsere moderne Gutenberg-Maschine, die alle digitalen Medien vervielfältigt und verteilt. Ausgerüstet mit dem Wissen über diese historischen Stationen von Schrift und Buch geht es im elften und zwölften Kapitel um die Frage, welche Vor- und Nachteile das elektronische Buch im digitalen Raum hat. Diesmal geschieht das jedoch nicht nur aus der Sicht des einzelnen Nutzers, sondern vor dem Hintergrund der medialen Entwicklung.
    Digitale Bücher sind – so viel darf ich schon verraten – ihren gedruckten Artgenossen weit überlegen. Dies zu ignorieren heißt, eine strikt konservative Haltung einzunehmen. Denn „conservare“ meint ja gerade, vornehmlich beim Bewährten zu verweilen. In diesem Sinne sind also gedruckte Bücher im Vergleich zu den digitalen gewissermaßen Konserven. Sie wurden erstellt und abgepackt, haben ein Haltbarkeitsdatum, das weit in die Zukunft hineinreicht, und sind genauso unveränderlich wie ihre Pendants in den Regalen der Supermärkte.
    Konservierende Bücher – also die auf bedrucktem Papier – waren lange Zeit eine große Errungenschaft. Und bevor sie überhaupt entstanden, gab es schon Jahrhunderte vorher die Schrift und längere Texte. Um die Entwicklung dieser Kulturtechniken wird es mir zunächst gehen. Bevor ich aber in längst vergangene Zeiten eintauche, möchte ich noch einen Blick auf die Gegenwart werfen. Ich beginne dabei mit den „Klassikern“: den Büchern auf Papier.

2  Bücher auf Papier
    Als ich zehn Jahre alt war, entschieden sich meine Eltern für eine besondere Bildungsoffensive: Sie bestellten eine Ausgabe des „Brockhaus Universal-Lexikons“. Wenige Wochen später trudelten Pakete mit gewichtigen Bänden ein, die deutlich machten, wie umfangreich das gesammelte Wissen war. Alle bis zu dem Datum erschienenen Bände – es waren vielleicht zwölf oder vierzehn – konnte ich schon auspacken und in den Wohnzimmerschrank einordnen. Dort standen sie dann, die opulenten Bücher mit Goldschnitt in dunkelblauem Schutzumschlag. Sobald ein neuer Band erschien, kam dieser wiederum per Post ins Haus, geschützt durch die Verpackung und einen dunkelgrauen Kartonschuber. Das Paket packte ich dann vorsichtig aus und sortierte den Band in die Schrankwand ein. So wuchs die Enzyklopädie alle zwei bis drei Monate um ein paar Zentimeter im Regal an. Insgesamt waren es zwanzig reguläre Bände zuzüglich einiger Ergänzungsbände. Für Referate und bei Wissensfragen nutzten meine Geschwister und ich das große Werk gerne. Nur hatte die Sache einen Haken, wie sich jedes Jahr etwa am 20. Dezember zeigte. Das Weihnachtsfest wurde just in jenem Zimmer gefeiert, in dem der „Große Brockhaus“ stand. Deshalb musste er abgestaubt werden. Und so machte ich mich jedes Jahr aufs Neue daran, den Staub der Zeit von den wertvollen Bänden abzuwischen. Das dauerte in etwa genauso lange, wie die gesamte Zinnsammlung, die gleichfalls in der Wohnzimmerschrankwand aufgestellt war, von dem feinen hellgrauen Überzug zu befreien. So erstrahlte dann im Lichte des Tannenbaumes alles in altem Glanz. Die verstrichene Zeit konnte diesem gesammelten Wissen nichts anhaben.
    Gegen Ende meiner Schulzeit, mit neunzehn Jahren, kaufte ich mir dann selbst eine Enzyklopädie. Es war der „dtv-Brockhaus“ im praktischen Plastikschuber – einfacher abzustauben und weitaus besser zu transportieren. Dafür war er nicht ganz so umfangreich, aber für den Studienbeginn völlig ausreichend. Anfangs nutzte ich ihn auch häufig, mit fortschreitenden Semestern jedoch immer weniger. Die Fragestellungen wurden zunehmend detaillierter, ein paar Stichworte zu jedem Thema reichten einfach nicht mehr aus. Stattdessen wuchsen meine Buchbestände zu den jeweiligen Spezialthemen.
    Der Taschenbuch-„Brockhaus“ steht bis heute in meinem Bücherregal. Ich brauche eine

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