Echo Einer Winternacht
halten.«
Ziggys Gelassenheit verließ ihn einen Moment. »Na und? Ist ja nicht verboten.«
»Das kommt darauf an, was und mit wem Sie es tun«, sagte Maclennan, und alle vorgeschützte Freundlichkeit war verschwunden.
»Hören Sie, was hat das alles damit zu tun, dass wir eine sterbende junge Frau gefunden haben?«, verlangte Ziggy zu wissen und beugte sich vor. »Was wollen Sie damit sagen? Dass wir schwul sind und darum ein Mädchen vergewaltigt und ermordet haben?«
»Das sind Ihre Worte, nicht meine. Es ist allgemein bekannt, dass manche Homosexuelle Frauen hassen.«
Ziggy schüttelte ungläubig den Kopf. »Wo ist das bekannt?
Bei Leuten mit Vorurteilen, die keine Ahnung haben? Hören Sie mal, nur weil Alex, Tom und Davey die Party mit mir zusammen verlassen haben, macht das noch keine Schwulen aus ihnen, ja? Sie könnten Ihnen eine Liste von Mädchen geben, um Ihnen zu beweisen, wie sehr Sie sich täuschen.«
»Und wie steht’s mit Ihnen, Sigmund? Könnten Sie das auch?«
Ziggy saß unbeweglich da und zwang seinen Körper, ihn nicht zu verraten. Eine Welt so groß wie ganz Schottland lag zwischen dem, was legal war, und dem, wofür man Verständnis erwarten konnte. Er war an einer Stelle angekommen, wo die Wahrheit sich nicht zu seinem Vorteil auswirken würde.
»Können wir auf das Thema zurückkommen, Inspector? Ich verließ die Party gegen vier Uhr mit meinen drei Freunden. Wir gingen Learmonth Place entlang, bogen bei Canongate links ein und weiter am Trinity Place entlang. Der Hallow Hill ist eine Abkürzung nach Fife Park …«
»Haben Sie sonst jemanden gesehen, als Sie auf den Hügel zugingen?«, unterbrach ihn Maclennan.
»Nein. Aber die Sicht war nicht gerade gut wegen des Schnees. Jedenfalls gingen wir auf dem Fußweg unten am Hügel entlang, und Alex fing an, den Hang hochzulaufen. Ich weiß nicht, warum, ich ging vor ihm und sah nicht, was ihn dazu brachte. Als er oben ankam, stolperte er und fiel in ein Loch.
Dann rief er uns auch schon zu, wir sollten hochkommen, da läge eine junge Frau und sie blute.« Ziggy schloss die Augen, schlug sie aber hastig wieder auf, weil er das tote Mädchen wieder vor sich sah. »Wir liefen zu ihm hoch und fanden Rosie, die im Schnee lag. Ich habe ihren Puls an der Halsschlagader gefühlt. Er war sehr schwach, aber noch zu spüren. Sie schien aus einer Bauchwunde zu bluten. Fühlte sich wie ein ziemlich langer Schnitt an. Vielleicht acht bis zehn Zentimeter. Ich sagte zu Alex, er solle Hilfe holen, die Polizei rufen. Wir haben sie mit unseren Mänteln zugedeckt, und ich versuchte, Druck auf die Wunde auszuüben. Aber es war zu spät. Sie hatte zu viele innere Verletzungen, zu viel Blut verloren. Innerhalb von ein paar Minuten starb sie.« Er tat einen tiefen Atemzug. »Ich konnte nichts mehr tun.«
Die Intensität seiner Worte ließ selbst Maclennan einen Augenblick schweigen. Er sah zu Burnside hinüber, der eifrig alles niederschrieb. »Warum haben Sie Alex Gilbey gebeten, Hilfe zu holen?«
»Weil Alex nüchterner war als Tom. Und Davey verliert bei Krisen immer die Nerven.«
Es war logisch. Fast zu logisch. Maclennan schob seinen Stuhl zurück. »Einer meiner Leute wird Sie jetzt nach Haus bringen, Mr. Malkiewicz. Wir brauchen Ihre Kleidung für die Untersuchung durch die Gerichtsmedizin. Und Ihre Fingerabdrücke, damit Sie als Verdächtiger ausgeschlossen werden können. Und wir möchten später noch einmal mit Ihnen reden.« Es gab bestimmte Dinge, die Maclennan über Sigmund Malkiewicz wissen wollte. Aber die konnten warten. Sein Unbehagen in Bezug auf diese vier jungen Männer wuchs von Minute zu Minute. Er wollte Druck anwenden. Und er hatte das Gefühl, dass der, der in Krisen die Nerven verlor, vielleicht auch derjenige war, der jetzt einknicken würde.
3
it Baudelaires Gedichten würde er es schaffen.
Zusammengekauert auf einer so harten Matratze, M
dass sie
diesen Namen kaum verdiente, ging Mondo Les Fleurs du Mal durch. Der Titel schien auf ironische Art und Weise zu den Ereignissen der Nacht zu passen. Der melodische Klang der Sprache wirkte beruhigend und verdrängte die Wirklichkeit von Rosie Duffs Tod und der Polizeizelle, in die er ihn gebracht hatte. Die Texte halfen ihm, sich aus seinem Körper über die Wirklichkeit zu erheben und an einen anderen Ort zu versetzen, wo der wohlklingende Fluss der Silben allein sein Bewusstsein erfüllte. Er wollte sich nicht mit Tod, Schuld, Angst oder Misstrauen auseinander setzen. Aber
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