Echos
Janeway gern von vielschichtigen, starren Gesellschaften, in denen sich Menschen an strenge, inzwischen längst überholte Regeln halten mussten.
Allerdings gab es für sie immer weniger freie Stunden. Ihre Freizeit ließ sich sogar nach Minuten messen. Vor einer Woche war das Warptriebwerk ausgefallen und Janeway hatte viele Stunden lang mit B’Elanna Torres zusammengearbeitet, um den Schaden zu beheben. Anschließend kam es unter den Technikern zu einer Beziehungskrise. Normalerweise hätte sie dieses Problem B’Elanna überlassen, aber Klingonen – auch Halbklingonen – konnten ziemlich gereizt reagieren, wenn sie an Schlafmangel litten. Chakotay hatte mit seiner ruhigen, sanften Art zu vermitteln versucht, vergeblich. Janeway musste eingreifen, setzte dabei ihre letzte Kraft und ihr ganzes diplomatisches Geschick ein. Die Krise ging vorüber, aber tiefe Erschöpfung war der Preis für den Erfolg.
Chakotay und Tuvok hatten darauf hingewiesen, dass sie
Ruhe brauchte, und schließlich gab Janeway ihrem Druck
nach. Allerdings konnte sie sich nicht dazu durchringen, den ganzen Nachmittag freizunehmen – es wartete einfach zu viel Arbeit auf sie. Auf eine Benutzung des Holodecks verzichtete sie deshalb, weil so etwas nur Sinn hatte, wenn man genug Zeit mitbrachte. Deshalb beschloss sie, einen alten Roman zu lesen.
Sie mochte Bücher. Ein echtes Buch ließ sich stückchenweise lesen, immer dann, wenn man sich ein wenig entspannen
wollte. Selbst Minuten reichten aus, um in eine Phantasiewelt zu entkommen, und oft konnte Janeway nicht mehr als einige wenige Minuten erübrigen.
Dieses spezielle Buch war sehr interessant und die
Kommandantin fragte sich, was sie bei der Lektüre gestört hatte.
Sie blickte noch immer aus dem Fenster. Die Sterne bildeten bunte Streifenmuster, typisch für den Warptransit. Janeway drehte den Kopf und sah zur Computerkonsole, wo sie ihren Insignienkommunikator abgelegt hatte. Wollte jemand einen Kom-Kontakt mit ihr herstellen?
Stille.
Nein, das Piepen des Kommunikators hätte sie bestimmt
nicht überhört. Der störende Faktor verbarg sich woanders…
Janeway fühlte sich von einem leichten Schaudern erfasst, von einer Vibration, die sich durch die Couch ausbreitete, auf der sie saß. Sie sah zur Glasschale mit den gelbgrünen
Sternenlilien auf dem nahen runden Tisch. Die Blumen
stammten aus Kes’ wundervollem Garten in der aeroponischen Anlage – ein weiteres Geschenk der Ocampa. Neelix hatte sie an diesem Morgen geholt; jeden Tag frische Blumen im
Bereitschaftsraum gehörten zu seiner Moralstrategie.
Das Wasser in der Schale zitterte und kräuselte sich an den Stielen der Blumen.
Janeway markierte die aktuelle Stelle des Textes und
deaktivierte das Lesegerät.
Diese sonderbare Vibration hatte sie vom Text abgelenkt.
Sie stand auf und strich ihre Uniform glatt. Im
Bereitschaftsraum wirkte alles normal. Beleuchtete
Kunstwerke hingen gerade an den Wänden und die
Gegenstände in den Regalen befanden sich genau am richtigen Platz. Der Rollsessel an der Computerkonsole hatte sich überhaupt nicht bewegt.
Janeway spürte eine weitere Vibration.
Was auch immer dahinter steckte: Es machte sich im ganzen Schiff bemerkbar. Und das beunruhigte sie. Was die ganze Voyager beeinflusste, durfte auf keinen Fall ignoriert werden.
Chakotay schien das Phänomen nicht für wichtig genug zu halten, um sie zu benachrichtigen, aber Janeway entschied trotzdem, nach dem Rechten zu sehen.
Sie betrat die Brücke und blieb stehen.
Im matten Licht schienen die Anzeigen und Displays der
Konsolen regelrecht zu glühen. Datenkolonnen glitten über Monitore. Schematische Darstellungen und Sternkarten zeigten sich in Projektionsfeldern. Hier und dort blinkten
berührungsempfindliche Schaltflächen. Das leise elektronische Zirpen der Bordsysteme, das ferne Summen des
Warptriebwerks… Alles erschien völlig normal. Seit dem
Verlassen des Bereitschaftsraums hatte Janeway keine
Vibration mehr gespürt.
Der große Hauptschirm zeigte die Streifenmuster der Sterne, an denen die Voyager mit vielfacher Überlichtgeschwindigkeit vorbeiflog. Janeway beobachtete, wie die Brückenoffiziere die Kontrollen ihrer Stationen bedienten, und alles funktionierte einwandfrei. Nichts deutete auf Anspannung oder gar Hektik hin. Es herrschte eine ruhige Atmosphäre, vielleicht geprägt von ein wenig mehr Aufmerksamkeit als sonst.
Fähnrich Harry Kim betrachtete die Anzeigen seiner Konsole und runzelte die
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