Heilige Mörderin: Roman (German Edition)
Kapitel 1
Die Stiefmütterchen in den Blumenkästen standen in voller Blüte. Die Erde war trocken, was jedoch den lebhaften Farben der Blüten keinen Abbruch tat. Stiefmütterchen sind vielleicht nicht die vornehmsten Blumen, aber zäh sind sie, dachte Ayane, während sie durch die Glastür hinaus auf den Balkon blickte. Auch die anderen Pflanzen mussten gegossen werden.
»Hörst du mir überhaupt zu?«
Sie wandte sich zu ihrem Mann um. »Natürlich. Tue ich doch immer.«
»Wieso reagierst du dann nicht?«
Yoshitaka lag, die langen Beine übereinandergelegt, auf dem Sofa, wechselte aber jetzt seine Position. Er trainierte häufig in einem Fitness-Studio, achtete jedoch darauf, dass seine Oberschenkel nicht zu muskulös wurden, weil er fürchtete, sonst keine engen Hosen mehr tragen zu können.
»Ich war in Gedanken.«
»Das sieht dir gar nicht ähnlich.« Yoshitaka hob eine gezupfte Augenbraue.
»Nun, ich bin ziemlich überrascht.«
»Wirklich? Eigentlich solltest du mit meiner Lebensplanung vertraut sein.«
»Ja, eigentlich schon.«
»Was meinst du mit eigentlich?« Yoshitaka sah sie fragend an.
Ayane holte tief Luft und blickte in sein gutaussehendes markantes Gesicht.
»Ist das denn wirklich so wichtig für dich?«
»Was meinst du?«
»Na ja … Kinder eben.«
Er erwiderte ihren Blick mit einem unwilligen Lächeln.
»Hast du mir eigentlich nie zugehört?«
»Doch, deshalb frage ich ja.« Ayane musterte ihn durchdringend, und Yoshitaka sah ernst zurück.
»Ja, das ist so wichtig für mich. Ich kann mir ein Leben ohne Kinder nicht vorstellen. Ohne Kinder hat eine Ehe keinen Sinn. Die Liebe zwischen Mann und Frau vergeht mit der Zeit. Ihr Zusammenleben dient der Gründung einer Familie. Ein Mann und eine Frau heiraten, bekommen Kinder und werden Vater und Mutter. Erst dann sind sie richtige Lebensgefährten. Findest du nicht?«
»Nein, ich finde nicht, dass das alles ist.«
Yoshitaka zuckte die Schultern. »Aber ich. Ich glaube ganz fest daran und habe nicht die Absicht, meine Meinung zu ändern. Ohne Aussicht auf Kinder will ich unser gemeinsames Leben nicht fortführen.«
Ayane presste die Finger gegen die Schläfen. Sie bekam Kopfschmerzen. Nicht im Traum hätte sie daran gedacht, jemals ein solches Gespräch führen zu müssen.
»Du meinst, du hast keine Verwendung für eine Frau, die keine Kinder bekommen kann. Also schmeißt du mich raus und suchst dir eine, die es kann – und damit ist die Sache für dich erledigt.«
»So ausgedrückt hört es sich schlimm an.«
»Aber darauf läuft es doch hinaus, oder?«, sagte Ayane ernst.
Yoshitaka setzte sich auf. Er runzelte die Stirn, zögerte kurz und nickte. »Aus deiner Perspektive ist es wahrscheinlich so.Aber du hast immer gewusst, wie ernst es mir mit meiner Lebensplanung ist. Sie hat oberste Priorität für mich.«
Ein bitteres Lächeln erschien auf Ayanes Lippen. »Sind wir wieder bei deinem Lieblingsthema, ja? Deiner großartigen Lebensplanung? Das war ja auch das Erste, worüber wir gesprochen haben, als wir uns kennenlernten.«
»Ach, Ayane, warum bist du denn so unzufrieden? Du hast doch alles, was du dir wünschst. Wenn dir irgendetwas fehlt, brauchst du es mir nur zu sagen, und ich werde tun, was ich kann. Lass uns an unser neues Leben denken. Oder hast du einen besseren Vorschlag?«
Ayane betrachtete den breiten Wandbehang über dem Bett, für den sie ungefähr drei Monate gebraucht und besondere Materialien verwendet hatte, die sie eigens aus England hatte liefern lassen.
Yoshitaka brauchte ihr nichts zu erzählen. Ein Kind zu bekommen war auch ihr größter Traum. Wie oft schon hatte sie sich gewünscht, in einem Schaukelstuhl zu sitzen und an einer Patchwork-Decke zu nähen, während ihr Bauch sich immer mehr rundete. Doch aus einer Laune heraus hatte Gott ihr diesen Wunsch nicht gewährt. Und da es nun einmal so war, hatte sie beschlossen, sich damit abzufinden und das Beste aus ihrem Leben zu machen. Sie hatte gehofft, dass auch Yoshitaka das könnte.
»Darf ich dir noch eine Frage stellen? Auch wenn sie dir vielleicht banal erscheint.«
»Um was geht es?«
Ayane wandte sich ihm zu und holte tief Luft. »Was ist aus deiner Liebe zu mir geworden?«
Yoshitakas Kinn zuckte verdächtig, dann kehrte das Lächeln auf seine Lippen zurück.
»An meinen Gefühlen für dich hat sich nichts geändert«, sagte er. »Das versichere ich dir.«
Für Ayane klang das nach einer Lüge. Doch auch sie lächelte. Was hätte sie
Weitere Kostenlose Bücher