Echte Biester: Roman (German Edition)
Minderwertigkeitsgefühle hatte, weil sie so klug und lustig und gesellig war. Wahoo hingegen war schüchtern und bei Weitem nicht so selbstbewusst wie seine Schwester. Als Schülerin hatte Julie nur Einsen nach Hause gebracht, während Wahoo meistens Dreien und Vieren einheimste. Am schlechtesten war er natürlich in Mathe.
»Gib einfach dein Bestes«, sagte seine Mom in solchen Fällen immer. »Damit sind wir völlig zufrieden.«
Mickey Cray kümmerte sich kaum um die schulischen Angelegenheiten der Kinder, weil er zu sehr mit den Tieren beschäftigt war.
»Hol mal den Alten ans Telefon«, sagte Julie, als sie anrief.
»Der ist gerade draußen bei den Pythons«, erwiderte Wahoo.
»Es geht um diesen Vertrag für Expedition Überleben! . Da sehe ich Probleme auf euch zukommen.«
Wahoo faxte seiner Schwester stets die Verträge mit Fernsehsendern zu, damit sie sie durchsah, auch wenn sein Vater normalerweise unterschrieb, ohne ein Wort gelesen zu haben.
»Was denn für Probleme, Jule?«
»Na ja, auf Seite sieben heißt es, für die Dauer der Dreharbeiten könne der Sender uneingeschränkt über die gemieteten Tiere verfügen. Das heißt, sie können mit den Tieren mehr oder weniger anstellen, was sie wollen – und brauchen Pop nicht um Erlaubnis zu bitten.«
»Das ist schlecht«, erwiderte Wahoo, dem einfiel, dass Raven Stark gesagt hatte, Derek Badger wolle mit einem der Alligatoren kämpfen.
»Hat der Alte schon Geld angenommen?«, fragte Julie.
Wahoo erzählte seiner Schwester von den achthundert Dollar Anzahlung. Sie meinte, wenn Mickey das Geld zurückgebe, könne er immer noch aus der Sache aussteigen.
»Zu spät«, sagte Wahoo. »Er hat’s bereits ausgegeben.«
»Wofür denn? Für Affenfutter?«
»Um die Raten fürs Haus zu bezahlen.«
»Mist«, sagte Wahoos Schwester.
»Wir sind praktisch pleite, Jule. Seit seinem Unfall läuft gar nichts mehr.«
»Deshalb ist Mom also nach China geflogen. Verstehe.«
Da Wahoo nicht wollte, dass seine Schwester sich Sorgen machte, versuchte er, optimistisch zu klingen. »Seit wir diesen Auftrag angenommen haben, geht es Pop schon viel besser.«
»Wer ist dieser Derek Badger eigentlich?«
»Hast du denn noch nie seine Sendung gesehen?«
Julie kicherte. »Ich hab noch nicht mal einen Fernseher, Bruderherz. Ich hocke hier nur über meinen Büchern.«
»Derek Badger ist Überlebenskünstler«, sagte Wahoo und erklärte ihr, was es mit diesem Abenteuerformat auf sich hatte.
»Ist ja nicht zu fassen«, meinte seine Schwester.
»Badger ist ein Star, Jule.«
»Erzähl Dad, was ich über den Vertrag gesagt habe.«
»Muss ich?«, entgegnete Wahoo.
Das war nur halb scherzhaft gemeint. Er wusste, dass er sich diesem Problem bald stellen musste.
Mickey Cray stand barfuß auf dem Rasen und bewunderte die Zeichnung von Beulah dem Python, dessen glatte silbrige Haut schokoladenfarbene Tupfen zierten. Fünf Meter Fleisch und Muskeln – und ein Gehirn von der Größe einer Murmel.
Schon als Junge hatte Mickey Schlangen als Haustiere gehabt – grüne Baumschlangen, Milchschlangen, Rattenschlangen, Wassernattern, Ringhalsnattern, Vipernattern, sogar ein paar giftige Klapperschlangen und Mokassinschlangen Mickey hatte sie alle selbst gefangen. Und nach wie vor fand er Schlangen faszinierend und geheimnisvoll.
Jetzt waren die Everglades von exotischen Pythons überschwemmt, die Rehe, Vögel, Kaninchen und sogar Alligatoren fraßen – wahrhaft raue Verhältnisse. Die Pythons, deren natürlicher Lebensraum Südostasien war, hatten hier nichts zu suchen. Deshalb hatten die US-Regierung und der Staat Florida ihnen den Krieg erklärt.
Das konnte Wahoos Vater nachvollziehen, denn die Schlangen brachten die Natur völlig aus dem Gleichgewicht. Ein ausgewachsener burmesischer Python vermochte mehr als fünfzig Eier auf einmal zu legen. Diese Schlangen gehörten zu den größten Raubtieren der Welt, wurden bis zu sechs Metern lang und hatten angesichts ihrer Größe keine natürlichen Feinde. Selbst Panther gingen ihnen aus dem Weg.
Wegen seiner Kenntnisse und seiner Erfahrungen war Mickey Cray gebeten worden, in den Sümpfen auf Schlangenjagd zu gehen und so viele wie möglich von den Eindringlingen zu fangen. Obwohl der Staat ihm gutes Geld dafür bot, lehnte Mickey ab. Er wusste, dass jeder Python, den er einfing, eingeschläfert werden würde, und dabei wollte und konnte er nicht mitmachen. Dafür mochte er Schlangen zu sehr. Das war das Problem.
Er setzte sich in
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