Eden
Achtziger-Jahre-Scream-Queen Anna Falchi und beschlossen, sie gemeinsam weiter über Zeit und Raum von fern zu verehren. Und dann erzählte Arlin mir von einem Roman, an dem er schrieb, einem Action-Horror-Zombie-Blutrausch mit dem Arbeitstitel Dead World . Damals waren gute Zombie-Geschichten dünn gesät, und es sollte noch einige Zeit dauern, bis wir uns über Max Brooks und Brian Keene austauschen konnten. Ich mag übrigens Brooks, im Gegensatz zu Arlin (warum, wird Ihnen später noch klar werden). Mit Keene kann ich nichts anfangen, Arlin allerdings schon (Über Geschmack …). In einem waren wir uns aber einig, nämlich, dass Jamie Russells Book of the Dead: The Complete History of Zombie Cinema für den Zombiefilmkenner unverzichtbar ist.
Stunden später fragte ich Arlin, ob ihn seine Witwe nicht vermissen würde. Statt auf die Uhr schaute er mit betrübter Miene hoch zur Sonne und gab mir Recht. Also stiegen wir wieder aus dem Krater und machten uns auf den Rückweg. Am Abend desselben Tages bekam ich seine Gönnerin zu Gesicht, als sie uns ins teuerste Restaurant der Insel einlud, und ich muss zugeben, dass ich neidisch war: Sie sah wirklich aus wie Ellen Barkin. Ob Arlin tatsächlich nach potenziellen Revolutionären Ausschau hielt oder nur diese MILF ausnahm? Ich vermute, es war von beidem etwas. Am nächsten Morgen setzten sie wieder die Segel.
Es sollte nicht meine letzte Begegnung mit Tommy Arlin gewesen sein, und auch nicht unser letztes Gespräch über Zombies.
Tommy liebte (liebt?) Zombies, aber er war ein Purist. Wenn Sie so wollen, ein Fundamentalist. Ein Taliban des Kinos der Lebenden Toten. Während ich meinen Spaß bei leichterer Kost wie Die Rückkehr der Lebenden Toten und sogar dem australischen Undead hatte – zumindest bis die Außerirdischen auftauchen -, und neuere Filme wie Fido – Gute Tote sind schwer zu finden und Shaun of the Dead – Ein Zombie kommt selten allein positiv sah, als eine Weiterentwicklung und Erweiterung des Genres, war Tommy von dieser Entwicklung ausgesprochen beunruhigt. Soweit es ihn betraf, hatten Zombies nichts Lustiges an sich, und bei einem Zombiefilm durfte es nichts zu lachen geben. Selbst in seinen liebsten Zombiefilmen sah er keine Spur von schwarzem Humor, nicht einmal bei George Romero, und das, obwohl er als Sozialist jede Gelegenheit ergriff, die dürftige und in der Regel kaum verhüllte Sozialkritik aufzubauschen.
Für Tommy waren Zombies entsetzlich, und eine von Zombies bewohnte Welt konnte nur grauenerregend trostlos sein. »Schopenhauers feuchter Traum«, nannte er es. Nach allem, was ich über Arlin und dem wenigen, was ich über deutschen Kulturpessimismus weiß, kann ich nicht sagen, ob Tommy irgendeine Ahnung hatte, wovon er redete, oder einfach nur einen cool klingenden Spruch abließ.
Jedenfalls ist das der Grund, warum Eden so düster ist. Tommy hat nie ein Hehl daraus gemacht, dass er die Eröffnung – den zum Tode verdammten Helden – aus Rudolph Matés Film Opfer der Unterwelt von 1950 abgekupfert hat. (Die Schwarze Serie war nach Zombies und Western sein drittliebstes Filmgenre und ist mein zweitliebstes.) Aber er legte gesteigerten Wert darauf, dass er dem Leser Harris’ Schicksal sehr viel früher um die Ohren haut, als es in dem Film mit dem von Edmond O’Brien gespielten Frank Bigelow geschieht. Und im Nachhinein betrachtet, weiß der Leser tatsächlich gleich zu Beginn des Romans, was Harris erwartet. Und trotzdem prügelt Arlin wieder und wieder auf den Leser ein. Ich meine, ernsthaft: hassidische Zombies? Was mich betrifft, war das, was er mit Bobby Evers macht, dem gutmütigen, sentimentalen Iren, der härteste Schlag. Für mich war das ein eindeutiges »Fick dich« Tommys an den Leser, nur zur Erinnerung, dass Eden in Tommys Welt spielt und die ein hässlicher, bösartiger Ort ist.
Aber was mir an Eden die meiste Angst macht, sind die offenen Fragen, die Unsicherheit. Es gibt keinen Hinweis auf die Ursache der Epidemie. Warum kehren die Toten zurück? Radioaktiver Staub aus dem Weltraum? Ein von pazifistischen Hippies freigesetzter Virus? Microsoft? Arlin gibt uns keine Antwort. Und auch über das Schicksal vieler Hauptcharaktere erfahren wir nichts. Was wird aus Rachel oder Mrs. McAllister, oder, was das angeht, aus Daffy? Gut, in der realen Welt gibt es bei Katastrophen nun mal keine sauber geordnete Auflösung aller Fragen. Was ist aus der hysterischen Frau in der Menge geworden, dem in das brennende Haus
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