Eden
die sie dann durch den Tunnel nach oben trugen. An den beiden engsten Stellen musste der Tunnel erweitert werden. Der Geländewagen bedurfte fast keiner Reparatur; er konnte sowieso bisher nicht benutzt werden, denn solange der Atomreaktor stillstand, hatten sie keine Radioisotopenmischung, die unmittelbar den Strom für seine Elektromotoren erzeugte. Das Fahrzeug war kaum größer als ein Feldbett. Vier Mann fanden darin Platz, den Fahrer mitgerechnet. Hinten hatte er ein Gepäckgitter für zweihundert Kilogramm Nutzlast. Am winzigsten waren seine Räder. Ihr Durchmesser ließ sich während der Fahrt regulieren, indem man Luft in die Reifen pumpte. Auf diese Weise konnten sie sogar eine Höhe von anderthalb Metern erreichen.
Die Zubereitung der Antriebsmischung währte sechs Stunden, doch dafür wurde nur ein Mann benötigt, der die Arbeit der Atomsäule überwachte. Der Ingenieur und der Koordinator krochen unterdessen auf allen vieren durch die Tunnel an Deck, verlegten und kontrollierten Leitungen auf einer Strecke von achtzig Metern zwischen dem Steuerraum an der Spitze und den Verteileraggregaten des Maschinenraums. Der Chemiker hatte sich draußen im Schutz der Rakete eine Art Höllenküche eingerichtet und siedete in hitzebeständigen Gefäßen einen Brei, der auf dem offenen Feuer wie ein Sumpfvulkan brodelte. Er zerließ, schmolz und mischte die durchgesiebten Stückchen der Plaststoffe, die er kübelweise aus dem Schiff getragen hatte. Nahebei warteten schon die Matrizen. Er wollte die zerschlagenen Schalttafelplatten des Steuerraums gießen. Mit ihm war nicht gut reden, er war wütend, denn die ersten Abgüsse hatten sich als brüchig erwiesen. Der Koordinator, der Chemiker und der Doktor sollten um fünf Uhr, drei Stunden vor Einbruch der Dämmerung, einen Ausflug in Richtung Süden unternehmen. Wie gewöhnlich ließ sich der Termin nicht einhalten, erst gegen sechs war alles fertig und gepackt. Auf dem vierten Sitz fand ein Werfer Platz. Sie nahmen nur wenig Gepäck mit, dafür befestigten sie am Gepäckgitter einen Hundertliterkanister für Wasser. Ein größerer ließ sich nicht durch den Tunnel tragen. Der Ingenieur wappnete sich nach dem Mittagessen mit einem großen Fernglas und kroch vorsichtig auf den Rumpf der schräg aus der Erde ragenden Rakete. Sie hatte sich zwar unter einem sehr kleinen Winkel in den Boden gebohrt, dank ihrer Länge erhob sich aber das Ende des Rumpfes mit den Ausstoßtüllen mehr als zwei Stockwerke hoch über die Ebene. Als er einen recht guten Sitzplatz zwischen der kegelförmig erweiterten Öffnung der oberen Tülle und der Einbuchtung des Hauptrumpfes gefunden hatte, blickte er den riesigen sonnenerhellten Rumpf entlang nach unten: Vor dem schwarzen Fleck des Tunnelausgangs standen die Männer, kaum größer als Käfer. Der Ingenieur hielt das Fernglas an die Augen und drückte die beiden Muscheln fest an die Jochbögen. Die Vergrößerung war beträchtlich, aber das Bild zitterte. Diese Haltung strengte die Arme an, er musste die Ellenbogen auf die Knie stützen, und das war nicht leicht. Nichts einfacher, als hier herunterzufallen, dachte er. Die harte Keramitoberfläche war so glatt, dass sie geradezu schlüpfrig wirkte, als wäre sie mit einer dünnen Fettschicht versehen. Er stemmte sich mit der Profilgummisohle seines Schuhs gegen die abstehende Tülle und begann mit dem Fernglas systematisch den Horizont abzusuchen. Die Luft zitterte vor Hitze. Er empfand fast einen physischen Druck auf dem Gesicht, als er nach Süden in die Sonne schaute, übrigens ohne viel Hoffnung, dort etwas zu entdecken. Er war froh, dass der Doktor den Plan des Koordinators, der von allen gebilligt worden war, angenommen hatte. Er selbst hatte ihn dem Doktor vorgestellt. Der wollte nicht einmal etwas von Entschuldigung hören. Er machte einen Scherz daraus. Nur das Ende des Gesprächs verwunderte ihn, es hatte ihn sogar überrascht. Er war mit dem Doktor allein, und es schien, als hätten sie sich nichts weiter zu sagen, da berührte jener plötzlich wie zerstreut seine Brust. »Ich wollte dich um etwas fragen … ach so. Weißt du, wie man die Rakete senkrecht aufstellen kann, wenn wir sie instand gesetzt haben?« »Zuerst werden wir die Lastautomaten und den Bagger reparieren müssen«, begann er. »Nein«, unterbrach ihn der Doktor, »in den technischen Einzelheiten kenne ich mich nicht aus, das weißt du doch. Sag mir nur, ob du - du selbst - es weißt, wie das zu machen geht?«
Weitere Kostenlose Bücher