Eden
schiefe Ebene, die sich nach oben zu verjüngte. Sie schien aus einem erdigen porösen Metall zu bestehen. Zu ihrer Basis führten gezahnte Streifen. In der Ferne, zwischen träge dahinziehenden Wolken, schimmerte etwas Senkrechtes, Schwarzes wie die Wand eines riesigen Kessels. Es konnte aber auch etwas anderes sein, denn durch die Risse im Nebel oder im Dampf waren nur Bruchstücke des Ganzen zu erkennen. Man fühlte lediglich, dass dort etwas stand, was so gewaltig war, als sei es aus einem Berg gehauen.
Der Koordinator wollte sich eben in den Wagen setzen, als ein tiefer, gewissermaßen unterirdischer Seufzer sie erreichte. Die weißen Nebelschleier auf der linken Seite, die bisher alles verdeckt hatten, lösten sich in einen mächtigen Hauch auf, im nächsten Augenblick waren die Männer von einem durchdringenden, bitteren Gestank umgeben. Sie erblickten den zu den Wolken aufschießenden Rumpf eines seltsam geformten Schornsteins. In einem umgekehrten Wasserfall schlug eine braune Säule von etwa hundert Meter Dicke daraus hervor, zerstieß die unstet wogende Milch der Wolken und verschwand darin. Das währte ungefähr eine Minute, dann trat Stille ein. Wieder ertönte das dumpfe Stöhnen, der Hauch, der ihr Haar flattern ließ, änderte die Richtung, und die Wolken sanken tiefer herab. Lange Federbüsche lösten sich von ihnen und umhüllten den schwarzen Schlot, bis er fast völlig in ihnen verschwand.
Auf ein Zeichen des Koordinators stiegen sie ein. Der Geländewagen holperte über Lehmklumpen bis zur nächsten Grube. Sie schauten hinein. Sie war leer, nur schwarzes Wasser stand darin. Wieder ließ sich von fern ein gedämpftes Rauschen vernehmen. Die Wolken blähten sich auf, aus dem Vulkanschornstein sprühte ein brauner Geysir, wieder folgte das Saugen. Sie achteten bald kaum noch auf diesen rhythmischen Wandel, auf das Sieden der Wolken und des Rauches im Talkessel, denn die Fahrt nahm sie jetzt voll in Anspruch. Bespritzt bis über beide Knie, sprangen sie zwischen die teigigen Klumpen, erklommen die glitschigen Hügel und schauten in die Gruben. Manchmal gluckste das Wasser unter ihren Füßen, und der Boden rutschte weg. Sie stiegen hinunter, setzten sich in den Wagen und fuhren weiter. In sieben von achtzehn Gruben, die sie untersuchten, fanden sie Leichen. Aber seltsam, ihr Entsetzen, ihr Abscheu, ihr Schrecken wurden mit jedem neuen Fund geringer. Sie hatten die Fähigkeit zu beobachten wiedererlangt. So fiel ihnen auf, dass in den Gruben um so weniger Wasser war, je mehr sie sich, im Zickzack über den sumpfigen Boden fahrend, der Wand der Nebelschwaden näherten, die den schwarzen Koloss abwechselnd verhüllte und enthüllte. Als sie sich wieder über eine solche quadratische Grube beugten, deren Boden ein gekrümmter Leib bedeckte, bemerkten sie, dass sich der Leichnam in gewisser Hinsicht von den anderen unterschied. Er war blasser und schien anders geformt zu sein. Sie konnten diesen Eindruck nicht überprüfen. Sie fuhren weiter, stiegen aus, stießen auf zwei Gruben, die leer waren, und in der vierten, einer bereits ausgetrockneten, kaum hundert Schritt von der schaufeiförmigen schiefen Ebene entfernt, entdeckten sie eine auf der Seite liegende Leiche, deren kleiner Torso die Hände ausgebreitet hielt. Eine Hand war am Ende in zwei dicke Fortsätze gespalten.
»Was ist das?« stammelte der Chemiker heiser und presste die Schulter des Doktors. »Siehst du das?« »Ja.« »Der scheint anders zu sein. Die Finger fehlen.« »Vielleicht ein Invalide«, murmelte der Koordinator. Es klang nicht sehr überzeugend. Sie hielten noch einmal, an der letzten Grube vor der schiefen Ebene. Sie wirkte noch ganz frisch. Der Lehm bröckelte langsam von den Wänden, zitternd, als hätte sich der gewaltige Spaten erst vor einer Weile aus der viereckigen Gruft entfernt. »Großer Gott«, krächzte der Chemiker und sprang, blaß wie der Tod, von dem Lehmhaufen herunter. Beinahe wäre er gestürzt. Der Doktor sah den Koordinator fragend an. »Wirst du mir beim Herausklettern helfen?« »Gut. Was hast du vor?«
Der Doktor kniete nieder, stützte sich auf den Rand der Gruft und ließ sich vorsichtig hinunter, bemüht, den großen Rumpf nicht mit den Füßen zu berühren. Er beugte sich über ihn und hielt instinktiv den Atem an. Von oben hatte es ausgesehen, als sei unterhalb der Brustmuskeln, dicht unterhalb der Stelle, wo sich der fleischige Torso aus den beiden Hautfalten hervorschob, ein Metallstab in die
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