Eheroman (German Edition)
ihrer Freizeit. Sie hat einen Hang zu Röcken und Blusen und trägt eine frische, herbe Entschlossenheit vor sich her. Ihre Stimme ist relativ tief, und sie scheint ein zutiefst positiver Mensch zu sein. Die Kinder mögen sie. Ava ist froh, dass Danilo eine so vernünftige und sympathische Frau gefunden hat. Ava selbst mäandert in ihren kinderfreien Wochen immer zwischen verschiedenen Männern hin und her. Sie ist auf der Reise durch die Tage ohne Gebundenheit, durch Schmerz und Verlust und Liebe und Ausgelassenheit und langsam abnehmende Aufregung. Das Neu-Kennenlernen und das Sich-neu-Erfinden in neuen Liebeleien verliert langsam an Würze, denn sie ertappt sich dabei, dieselben witzigen Sätze über sich selbst mehrmals benutzt zu haben.
Beständig ist sie mit den Kindern. Die Kinder sind ihre Haftung und ihr Alltag, ebenso die Arbeit und die Kollegen, Hartwig, Merve und Beate, Fadil und ab und zu doch wieder Konstantin mit seiner Silberdose voller einzelner Zigaretten, seinem matten Arsch und dem Zorn auf sein eigenes Alter, das ihn ab und zu in absurde und komische Anfälle von leidenschaftlicher Unvernunft treibt.
Die Kinder laufen auf Danilo zu. Sie sieht seinen riesigen, wuscheligen Kopf, sein rosig vom Feuer beleuchtetes Gesicht, wie er sich den Kindern zuwendet, aber dann nach ihr Ausschau hält, sich den Hals nach ihr verrenkt, weil es ihm wichtig ist, weil er unbedingt wissen muss, wo sie ist. Dann entdeckt er sie, sein Gesicht wird weich und groß und weit. Er hebt kurz die Hand. Sie hebt kurz die Hand. Sie gehen nicht aufeinander zu, denn da ist die Frau mit dem gescheitelten Haar, und die würde schnell merken, dass sie Danilo immer noch nicht egal ist. Wenn sie es nicht längst bemerkt hat. Aber Danilo ist ein guter Mann, auch ihr. Er bleibt an ihrer Seite und umsorgt sie mit Würsten und Wein. Er wirft nur selten, wenn sie unaufmerksam ist, einen Blick zu Ava, und Ava sieht seinen großen, knochigen Körper, seine scharfe Nase, erkennt den guten Geschmack in seiner Kleidung, und sie kann sich wieder vorstellen, wie es ist, wenn man ihn will.
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Über Katrin Seddig
Katrin Seddig, geboren 1969 in Strausberg, studierte Philosophie in Hamburg, wo sie heute auch lebt. 2008 erhielt sie für ihre Erzählungen den Förderpreis für Literatur der Hansestadt Hamburg. Über ihren Roman «Runterkommen» (2010) schrieb die «tageszeitung»: «Ein brillantes Romandebüt … anrührend, witzig, nüchtern.»
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Über dieses Buch
Ava Grünebach war schon immer ein bisschen anders. Sie hat einen verrückten Vornamen, nur fast normale Eltern, und sie hat Danilo, der sich schon mit zwölf in sie verliebt und mit sechzehn bei ihr einzieht – Danilo, der Avas Leben zu etwas Besonderem macht, weil er eine Art Prinz ist, obwohl er eigentlich bloß aus Kroatien stammt. Die beiden heiraten, still und für sich, aber bald werden sie der grausamsten aller Liebesproben unterzogen: dem Alltag. Danilo studiert, Ava arbeitet viel, als Krankenschwester wie als Mutter. Die Gespräche werden karger, die Freunde unterschiedlicher, doch Ava will mehr vom Leben: Sie findet es bei einem hübschen Fernfahrer, auf fremden Partys, bei ihrer ausgeflippten Freundin Merve, die immer stärker als «das Miese» sein will. Und langsam, im Lauf der Jahre, wird Ava unsicher, ob Danilo wirklich das Beste ist, was ihr passieren konnte …
In «Eheroman» greift Katrin Seddig mitten hinein ins Leben und holt das Schönste, Traurigste und Großartigste heraus. Ein Roman über die Sehnsucht, den Zweifel und alles dazwischen, drastisch, sinnlich und voller tragikomischem Humor.
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Impressum
Rowohlt Digitalbuch, veröffentlicht im Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg, März 2012
Copyright © 2012 by Rowohlt·Berlin Verlag GmbH, Berlin
Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt, jede Verwertung bedarf der Genehmigung des Verlages
Umschlaggestaltung Anzinger | Wüschner | Rasp, München
(Umschlagabbildung: CSA Plastock/Getty Images)
Schrift DejaVu Copyright © 2003 by Bitstream, Inc. All Rights Reserved. Bitstream Vera is a trademark of Bitstream, Inc.
ISBN Buchausgabe 978-3-87134-736-8 (1. Auflage 2012)
ISBN Digitalbuch 978-3-644-11151-6
www.rowohlt-digitalbuch.de
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