Ehrenhüter
aufgetaucht ist und die Rechtsmedizin ihren Todeszeitpunkt auf Montag oder Dienstag eingegrenzt hat.»
«Dann», fuhr Petersen fort, «bleibt eigentlich nur einer auf der Liste …»
Sie sprangen gleichzeitig auf.
Zehn Minuten später parkten Steenhoff und Petersen ihr Auto direkt vor dem Haus mit der alten Magnolie.
Cornelia Rodewaldt hatte nichts mehr von der selbstbewussten Frau an sich, die sie noch vor einigen Tagen war. Aschfahl und mit leerem Blick betrachte sie die Beamten.
«Wir möchten Ihren Mann sprechen. Dringend», sagte Steenhoff ohne Umschweife.
Cornelia Rodewaldt drehte sich um und ging wortlos ins Wohnzimmer. Besorgt eilten Steenhoff und Petersen ihr nach.
«Wo ist Ihr Mann?», fragte Navideh.
«Weg.»
«Und Roman?»
«Weg.» Sie zitterte.
Navideh umfasste die Schultern der Frau und sah sie eindringlich an. «Was ist passiert?»
Mühsam holte Cornelia Rodewaldt Luft: «Nilgüns Schwester war da. Sie hatte sich in der Abstellkammer unter der Treppe versteckt. Wir haben sie erst bemerkt, als sie plötzlich aus dem Haus lief. Das Mädchen schien in Panik. Klaus und Roman sind dann gleich hinterher. Sie suchen sie.» Sie wurde von einem heftigen Weinkrampf gepackt.
«Was erschüttert Sie so?», fragte Steenhoff behutsam. «Sagen Sie es uns. Bevor noch ein weiteres Unglück geschieht.»
Cornelia Rodewaldt rang um Worte. Aber so sehr sie sichbemühte, sie bekam keinen Ton heraus. Navideh machte Steenhoff ein Zeichen. Erst jetzt sah er, dass die Frau krampfhaft ihre rechte Hand zur Faust geschlossen hielt.
Steenhoff strich sanft über ihre Hand. Dann öffnete er sie. Widerstrebend ließ es die Frau geschehen.
Auf der Innenfläche ihrer Hand lag ein Ohrring mit einem herzförmigen violetten Anhänger.
Steenhoffs Puls schlug schneller. «Wo haben Sie das gefunden?»
Cornelia Rodewaldt drehte sich um und zeigte stumm auf die Kammer unter der Treppe.
Steenhoff erreichte Block und Wessel auf der Autobahn. Sie waren kurz vor Bremen und versprachen, sofort in die Jortzigerstraße zu kommen.
Gleichzeitig mit dem Hundeführer, den sie aus Niedersachsen angefordert hatten, betraten die beiden Männer eine Dreiviertelstunde später das Haus.
«Setz den Leichenspürhund zuerst in der Kammer ein», befahl Steenhoff.
Das Tier wirkte aufgekratzt und bellte mehrfach. Unruhig wedelte der Hundeschwanz von einer Seite zur anderen, als der Hund in den dunklen Abstellraum unter der Treppe gelassen wurde. Steenhoff sah, wie der Vierbeiner auf dem glatten Boden ausrutschte, aber sofort weiter mit der Nase am Boden schnüffelte. Plötzlich blieb der Hund wie in Stein gemeißelt stehen. Alle Aufregung schien aus seinem Körper gewichen zu sein.
«Was ist los? Will er nicht mehr?», fragte Steenhoff ungeduldig.
Der Hundeführer schüttelte den Kopf. «Im Gegenteil. Er muss nicht mehr. Er hat seine Arbeit getan.» Der Mannkroch in gebückter Körperhaltung aus der Kammer. Als er sich wieder aufrichtete, meinte Steenhoff ein Funkeln in seinen Augen zu sehen.
«Ihr seid auf der richtigen Spur, Kollegen. Da drinnen lag eine Leiche.»
«Kein Zweifel?»
«Keinen.» Der Mann klopfte unmerklich mit der Hand auf seinen rechten Oberschenkel. Sofort kam wieder Leben in das Tier. Mit einem Satz sprang der Hund aus der Kammer und setzte sich erwartungsvoll neben sein Herrchen.
Inzwischen waren die Besatzungen sämtlicher Einsatzfahrzeuge in Bremen informiert. Sie sollten nach einem silberfarbenen Audi Q5 sowie nach einem 1 4-jährigen türkischen Mädchen in einer langen schwarzen Daunenjacke auf einem alten Damenrad und einem 1 7-jährigen Schüler Ausschau halten. Petersen hatte auch die Taxi-Zentralen informiert. Mehrere Streifenwagen fuhren zudem Straße für Straße in Schwachhausen ab.
Petersen wies Fabian Block und Michael Wessel nach knapper Begrüßung sofort in die neuesten Entwicklungen ein. Konzentriert hörten beide zu.
Cornelia Rodewaldt konnte kaum weiterhelfen. Sie war völlig verwirrt. Steenhoff hatte vorsichtshalber eine Polizistin abgestellt, die sie betreuen sollte. Auf seine Fragen hatte die Frau nur unzusammenhängend geantwortet. Steenhoff gab Petersen und seinen beiden Kollegen mit einem Zeichen zu verstehen, dass sie zu einer kurzen Besprechung in Romans Zimmer gehen sollten.
«Wir müssen Saliha vor Klaus Rodewaldt finden», sagte er bestimmt.
«Und vor den Cetins», fügte Navideh düster hinzu. «Sowie sie ihre Tasche gepackt hat, wollte sie von zu Hause
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