Eifel-Liebe
Anna Hennef garantiert eine hohe Gefahr für Gundula Pechter darstellte. Die kleine Anna übernahm zunehmend Führungsrollen in der Clique, sie wusste alles. Und sie war jemand, der dichter an Bliesheim dran war, als es der Pechter lieb sein konnte. Eifersucht heißt das Motiv.«
»Aber wie erklärst du dir dann die zehntausend Euro in Annas Täschchen?«, fragte Emma drängend. »Oder war diese Anna inzwischen einfach so geldverliebt, dass sie solche Summen mit sich rumschleppte wie andere Leute ihren Personalausweis?«
»Warum nicht?«, entgegnete Kischkewitz hohl. »Auch die Waffe passt zur Pechter. Eine kleine, brutale Kugelschleudermaschine für die ganz kurze Distanz. Und überlegt doch mal: die Pechter mit ihrem religiösen Wahn auf der einen Seite, die fröhlich vögelnde Anna auf der anderen. Anna muss für die Pechter die Sünde schlechthin gewesen sein. Das Böse.«
»Dann hätte sie aber auch Bliesheim erschießen müssen, weil er der Mittelpunkt des Bösen war«, wandte Rodenstock ein.
»Das glaube ich nicht.« Kischkewitz hustete kurz. »Ich qualme zu viel. Die Pechter hat jedem in der Clique eine Rolle zugeteilt. Anna ist das Böse, Bliesheim ist der strahlende Held, der mithilfe des Bösen regiert, aber dadurch gleichzeitig sehr viel Edles für Mutter Kirche tun kann. Für Pechter geht das absolut in Ordnung, sie gleicht darin ein paar neurotischen Päpsten des Mittelalters. Baumeister, du bist ein Eifel-Kenner und du hast die Pechter erlebt. Wo würdest du sie suchen?«
»Ich weiß von ihr erschreckend wenig Privates. Hat sie Eltern hier in der Gegend?«
»Ja. Einen Vater. Aber der Mann ist über achtzig und lebt in einem Altenheim in Trier. Er ist krank und sehr gebrechlich, den können wir als Anlaufstelle vergessen.«
»Was sagt denn Bliesheim zu seiner entflohenen Freundin?«, fragte ich.
»Er hat uns ausgelacht, sonst sagt er erwartungsgemäß nichts.«
»Was ist mit Jule Hauf? Was hat sie zum Komplex Pechter gesagt?«, fragte Emma.
»Nur das, was ihr schon wisst. Sie hat ohne Punkt und Komma in das Diktiergerät von zwei Kollegen gesprochen. Ich hab sie eben nach Hause fahren lassen, für heute reicht’s. Aber sie muss uns weiter zur Verfügung stehen. Sorgen macht mir auch, dass wir den langen Jenö Schildgen nicht ausfindig machen können. Wobei Bliesheim natürlich abstreitet, den jemals im Leben gesehen zu haben. Wenn euch was einfällt, sagt Bescheid. Ich muss jetzt Schluss machen.«
»Das ist ja richtig heiter«, sagte Emma in die Stille.
»Ich geh jetzt schlafen.« Ich stand auf und nickte den beiden zu.
Die Luft war lau, der Himmel bedeckt und es regnete leicht, aber kein Feld für Ungeheuer in den Büschen und grässliche Teufel auf den Bäumen, nichts von Apokalypse. Trotzdem sah ich mich um und trotzdem gab ich zu viel Gas, um schnell heim zu Tante Anni zu kommen, als sei der Leibhaftige hinter mir her.
Mein Hund begrüßte mich, vor Freude winselnd, die Katzen waren vermutlich auf der Jagd.
Mitnichten schlief Tante Anni schon, sondern sie saß mal wieder im dunklen Wohnzimmer und sagte aus dem Schatten: »Das wird aber auch Zeit, mein Junge. Möchtest du etwas zu essen?«
»Ja, gerne. Immer vorausgesetzt, es ist nicht so gesund, dass es keinen Eigengeschmack mehr hat.«
»Du bist ein Spötter«, sagte sie sanft und knipste die Stehlampe an. »Du erinnerst mich an deinen Vater.«
»Ist das ein Kompliment oder eine Beschimpfung?«
»Ein großes Kompliment«, nickte sie.
»Erklär mir doch mal, wie wir beide miteinander verwandt sind.«
Sie lachte leise. »Um siebenunddreiundachtzig Ecken. Dein Vater hatte einen Bruder, der als junger Mann in meine Familie reingeheiratet hat, er heiratete eine Cousine zweiten Grades oder so. Dass wir beide zusammen damals den Bauernhof im Osten erbten, hatte damit zu tun, dass inzwischen alle anderen tot waren. Ich kenne deinen Vater gut, weil er in den Dreißigern zu einer Studentenclique gehörte, die Berlin unsicher machte. Wir haben uns immer gut verstanden. Manchmal ist das besser als Verwandtschaft.« Sie lächelte. »Wie wäre es mit ein paar Spiegeleiern?«
Ich war erstaunt.
Sie grinste: »Emma hat mir etwas ins Gewissen geredet. Also, vier oder fünf?«
»Drei«, bestellte ich.
Tante Anni hüstelte. »Emma und Rodenstock haben vorgeschlagen, mir hier in der Gegend eine nette kleine Wohnung zu besorgen. Ich soll den Kram in Berlin verscherbeln, mein Geld nehmen und hierher ziehen. Ich glaube,
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