Eifel-Müll
Spalt. Ein Mann streckte seinen Kopf hindurch und sagte: »Bronski hat keine Zeit.«
»Doch!«, sagte Rodenstock scharf. »Hat er!« Er fasste einfach die Tür und riss sie dem Mann aus der Hand.
Die Sonne kam schon aus West und stand uns im Gesicht. Der Laderaum des Trucks war zunächst nichts als ein gähnendes, riesiges Loch. Langsam begannen sich Konturen aus dem Bild herauszuschälen.
Es waren sechs Männer, in der Mitte Bronski, der auf einer Kiste saß. Vor ihm, nur Zentimeter entfernt, hockte Adrian Schminck auf einem blauen Plastikeimer. Er trug nichts außer weißen Boxershorts und hielt seinen Kopf nach vorn geneigt, als sei er nicht fähig, ihn zu heben.
»Das ist Scheiße, Bronski!«, sagte ich. Ich hatte Schwierigkeiten, Luft zu bekommen.
Bronski sah mich an. Er war wütend, sein kantiges Gesicht war schweißüberströmt. »Er hat sie getötet!«, schrie er.
»Hat er nicht!«, schrie Rodenstock neben mir zurück.
Erst jetzt bemerkte ich die großen, roten Flecken auf dem Oberkörper von Adrian Schminck. Es waren Blutflecken. Schminck hob den Kopf. Er hielt die Augen geschlossen, er musste sie geschlossen halten. Bronski hatte sie zugeschlagen.
»Sie war bei ihm. Bevor sie starb!«, sagte Bronski. Er schrie jetzt nicht mehr.
»Das stimmt«, erwiderte ich. »Aber anschließend fuhr sie nach Maria Laach zu Becker. Schminck hat sie nicht getötet.«
»Ha!«, sagte Bronski voll Verachtung.
»Schminck«, rief Rodenstock. »Können Sie mich hören, können Sie mich verstehen?«
Schminck nickte und nuschelte etwas.
»Stehen Sie auf!«, befahl Rodenstock. »Und kommen Sie her.«
»Das geht nicht«, erklärte Schminck undeutlich. »Festgebunden.«
»Binde ihn los, Bronski«, sagte Rodenstock ganz ruhig.
Es war totenstill, die Männer um Bronski schienen nicht einmal zu atmen. Rechts von Bronski lehnte ein Mann an der Wand des Laderaumes. Er wirkte gelassen und den Gesichtszügen nach konnte er der Bruder von Bronski sein. Er war der Einzige, der sich bewegte. Es war eine langsame, schleichende Bewegung, er hob den linken Arm. Er trug ein weißes T-Shirt über einer blauen Jeans und im Gürtel dieser Jeans steckte eine Waffe, eine schwarz schimmernde, schwere Waffe, ich vermutete eine Glock neun Millimeter, das Paradestück amerikanischer Filmhelden, die schwere Zimmerflak, der Killer.
»Nicht doch!«, sagte Rodenstock erstickt neben mir. Er hatte plötzlich eine Waffe in der Hand.
Ich begriff sofort, dass es Emmas Colt war. Ich wollte erstaunt fragen: »Wieso hast du die mitgenommen?«, aber ich brachte kein Wort heraus. Und als Rodenstock schoss, als der Bruder von Bronski unter dem Aufschlag zuckte und dann fiel, sagte ich irrsinnigerweise: »Premiere!«
Der Boden des Laderaums war mit Stahlblechen belegt. Die Waffe des Polen schepperte, als sie aufschlug. Sie rutschte zwischen die Beine Bronskis, der erstaunt den Kopf zur Seite drehte, als habe er damit nicht gerechnet, damit nicht.
»Nicht bewegen!«, schrie Rodenstock. »Keiner bewegt sich.«
Der Bruder Bronskis atmete schwer, er lag auf der linken Seite, das Gesicht zur Wand des Laderaums.
»Hilf ihm, Bronski«, sagte Rodenstock ruhiger. »Wir brauchen einen Arzt. Scheiße, und das in meinem Alter!«
Ich fischte mein Handy aus der Weste und wählte die 110. Ich sagte, was zu sagen war, und achtete dabei auf das, was die Männer im Laderaum vor mir taten. Sie bewegten sich immer noch nicht.
»Bronski, komm raus«, sagte Rodenstock.
Bronski drehte langsam den Kopf, um nach seinem Bruder zu sehen.
Rodenstock schoss in die Decke des Laderaums. Er wiederholte: »Bronski, komm da raus! Alle kommen raus, alle!«
Bronski bewegte sich nun etwas schneller. Er kam hoch, wandte sich zur Seite und kniete dann neben seinem Bruder nieder.
»Raus!«, schrie Rodenstock.
Die Männer kamen auf uns zu.
»So ist es gut«, sagte Rodenstock. »Kommt her!«
Die vier sprangen von der Ladefläche.
Bronski sagte irgendetwas zu seinem Bruder, es klang zärtlich.
Jetzt lieferte Rodenstock ein Kabinettstückchen ab, an das ich mich noch als Großvater erinnern werde. Er musterte die vier Männer, drückte einem den Colt in die Hand und sagte trocken: »Halt mal eben!« Dann stellte er seinen rechten Fuß in einen Tritt und bestieg den Laderaum. Ich werde das vollkommen verblüffte Gesicht des jungen Polen nie vergessen, der ungläubig auf den Colt starrte, den er jetzt in der Hand hielt.
»So ist das Leben«, sagte ich heiter und stieg ebenfalls
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