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Eifel-Schnee

Eifel-Schnee

Titel: Eifel-Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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komme.«
    »Ist gut, Mann«, antwortete er erleichtert.
    Ich hockte noch eine Weile auf der Matratze und dachte über diese Kinderstimme nach, ehe ich mich anzog und hinausging. Es war sehr kalt, der Himmel war ein schwarzes Loch, und durch den gelben Lichthof der Laterne fiel sanft der erste Schnee des Jahres. »Fröhliche Weihnachten«, sagte ich halblaut. Sicherheitshalber fügte ich hinzu: »Verdammter Mist!«
    Ich fuhr über Hillesheim, weil ich es nicht riskieren wollte, zwischen Wiesbaum und Birgel bei Glätte von der Straße gefegt zu werden. In den großen Wäldern hinter Hillesheim konnte ich aufdrehen und zog zwei rabenschwarze Streifen durch den weißen Schnee. Auf Radio RPR dröhnte jemand mal wieder White Christmas, und ein gelangweilter Moderator erzählte, daß ihm seine Frau die dreißigste Krawatte geschenkt habe. Hinter Birgel ging es in die langgestreckte Rechts-Links-Kombination, und ich geriet ins Rutschen. Jenseits der Eisenbahnbrücke, wo die ersten Häuser Jünkeraths stehen, sah ich, was ich nicht hatte glauben wollen. Rechts in der Niederung der Kyll lag vor einem dichten Waldstück ein großer Hof. Neben diesem Hof, ungefähr zweihundert Meter entfernt, loderte ein gewaltiges Feuer, von dem ich wußte, daß es von einer Scheune Nahrung bekam. Merkwürdig, dachte ich, ich fahre vielleicht fünfzigmal pro Jahr diese Strecke und noch nie habe ich diese Häuser gesehen.
    In Jünkerath weiß ich nie, wie ich am schnellsten über die Bahnlinie komme. Da entdeckte ich vor mir die blaublitzenden Lichter eines Feuerwehrwagens und folgte ihnen. Es wirkte gespenstisch, die Sirene war nicht eingeschaltet. Gleich darauf folgte mir das grellblaue Licht einer Funkstreife, die ihr Hörn benutzte, dahinter ein zweites Feuerwehrauto. Wir rasten jetzt mit hoher Geschwindigkeit an dem Wald entlang und donnerten in voller Fahrt über den Hof des großen Bauernhauses. In den Augenwinkeln sah ich, wie Männer und Frauen heftig gestikulierten; sie rannten alle zu der brennenden Scheune, ihre Schatten tanzten grotesk.
    Ich fuhr nicht bis an das Feuer heran, weil ich wußte, daß dort in kürzester Zeit alles durch Fahrzeuge verstopft sein würde. Ich lenkte den Wagen ein Stück in die Wiese hinein und stellte mich vor mein Auto, um zu beobachten, was es zu beobachten gab. Das Feuer war höllisch laut, weil die Scheune ganz aus Holz war, das in der Gluthitze mörderisch krachte. Ich schaute zu, wie die Feuerwehrleute sich schnell in einer Reihe formierten und ihnen jemand kurze, schnelle Befehle zubellte. Die Reihe löste sich auf, die Männer begannen, ihren Aufgaben nachzukommen.
    Ein mächtiger Mann kam von links den Weg entlang gerannt und schrie im höchsten Diskant: »Ole! Ole! Ole!« Es schien, als wolle er direkt in das Feuer hineinlaufen. Einer der Feuerwehrleute stellte sich ihm in den Weg und wurde glatt und brutal umgestoßen. Ein uniformierter Polizist hielt den Rennenden schließlich auf und redete auf ihn ein. Irgendwo hatten die Männer inzwischen eine Pumpe angeschlossen, und das Wasser schoß aus drei Rohren in die Glut.
    Eine Frau näherte sich dem Geschehen. Sie trug etwas lang wallendes Weißes, darüber einen dunklen Mantel. Sie ging behutsam, als hätte sie Angst, sie könne jemanden wecken. Sie ging wie in Trance und sie weinte ganz laut. Hinter ihr war ein kleiner Junge, den sie hinter sich her zerrte, als sei sie sich seiner Gegenwart nicht bewußt.
    Der Polizist führte den mächtigen Mann beiseite und schrie: »Ich brauche einen Arzt!« Jemand antwortete etwas, das ich nicht verstehen konnte. Es schneite immer heftiger.
    Ich zog den Wagen ein paar Meter vor, um besser sehen zu können, und setzte mich hinein. Ich zündete mir eine Pfeife an und paffte vor mich hin. Ole und Betty. Wer waren Ole und Betty? Und wieso wollte dieser Ole zu mir kommen, um etwas zu besprechen?
    Ein zweiter Streifenwagen erschien auf der Bildfläche, ein dritter von der Feuerwehr, und dann, als habe sich eine Schleuse geöffnet, sehr viele Privatfahrzeuge. Am Brandherd setzten sie jetzt Schaum ein. Balken stürzten in einem grellen Funkenregen in das Inferno, Feuerwehrleute schrien sich Informationen zu, Polizisten versuchten, Neugierige abzudrängen. Irgendwann hatte ich Eisbeine und startete den Motor, um mich aufzuwärmen.
    Da sah ich das Kind auf mich zukommen und war auf eine elende Weise fassungslos. Woher wußte dieses Kind, wo ich stand, wer ich war? Ich öffnete die Beifahrertür. »Steig ein«, sagte

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