Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eifel-Schnee

Eifel-Schnee

Titel: Eifel-Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
Vom Netzwerk:
ich.
    »Na denn, fröhliche auch«, schniefte sie. »Mein Vater schmückt gerade den Tannenbaum. Wie geht es denn den Katzen?«
    »Phantastisch«, behauptete ich. »Wie geht es dir?«
    »Nicht so gut«, jammerte sie. »Meine Mutter hat darauf bestanden, daß ich ein Kleid anziehe. Jetzt fühle ich mich wie achtzehnhundertachtundachtzig. Baumeister, meinst du, ich könnte übermorgen schon nach Hause kommen?«
    »Sicher kannst du das. Hast du deinen Eltern erzählt, daß es mich gibt?«
    »Noch nicht. Ich bin noch gar nicht dazu gekommen. Ich habe ein paar Freundinnen und Freunde getroffen. Dann hat mein Vater einen Puter gekauft und versaut. Er hat die Plastiktüte mit den Innereien dringelassen und plötzlich roch das so furchtbar ... Baumeister, ich wollte, ich wäre in der Eifel. Was machst du heute abend?«
    »Ich stelle mir vor, du wärst hier«, antwortete ich wahrheitsgemäß. »Habt ihr einen neuen Puter?«
    »Nein, aber ein Karnickel. Ich mag kein Karnickel. Ich fühle mich ganz scheußlich.«
    »Das legt sich. Wie geht es deiner Mutter?«
    »Prima, soweit ich weiß. Sie hat eben länger geweint. Wenn sie an Weihnachten grundlos weint, geht es ihr immer gut. Ich ruf dich später noch mal an. Nimm das Telefon mit ins Bett.«
    Ich hockte auf dem Badewannenrand und erklärte einem unsichtbaren Besucher: »So geht es Leuten, die behaupten, sie könnten Weihnachten ganz gut allein verbringen, verdammte Scheiße!« In diesem Augenblick kam von unten zunächst ein merkwürdiges Klatschen, dann ein Poltern, als sei etwas Schweres auf die Holzdielen gefallen, und ein merkwürdiger Laut zwischen heller Lebensfreude und tiefem Erschrecken. Ich verzog keine Miene, weil ich Kummer gewöhnt bin. Langsam und gefaßt stieg ich in das Erdgeschoß hinab, und ich ging ungeheuer lässig, damit die blöden Viecher nicht dachten, ich wollte sie überraschen. Tatsächlich fuhren sie arglos mit ihrem neuen Weihnachtsspiel fort.
    Paul hatte etwas Faszinierendes entdeckt. Er sprang auf die Fensterbank, leckte sich hingebungsvoll und scheinbar traumverloren die Pfoten, um dann wie von der Sehne geschnellt in den Weihnachtsstrauß zu springen. Der lag längst auf dem Teppich, hatte sich von ungefähr vier Litern Wasser befreit und bildete ein entzückendes Arrangement von dunklem Grün und bunt glitzerndem Schmuck. Unter dem Strauß lag Momo auf dem Rücken und schien sich mächtig zu freuen, als Paul angesegelt kam. Sie balgten sich nach Herzenslust, fauchten und schienen viel Spaß miteinander zu haben.
    »Ich hasse euch«, rief ich in eine plötzlich aufkommende Stille. »Ich hasse euch aus tiefstem Herzen.« Ich würdigte sie keines Blickes mehr, räumte das Chaos auch nicht auf, verzog mich in mein Bett. Ich grollte und las Nietzsche. Irgendwann schlief ich ein.
    Als das Telefon schellte, war es drei Uhr. Ich nörgelte: »Wieso bist du noch auf?«, aber es war nicht Dinah, es war jemand, der mit kindlicher Stimme aufgeregt fragte: »Bist du dieser Journalist?«
    »Ja«, bestätigte ich. »Fröhliche Weihnachten. Und wer bist du?«
    »Ich bin Schappi«, sagte er. »Ole und Betty sind tot. Die sind am Brennen.«
    »Langsam, bitte. Du bist also Schappi, und es ist drei Uhr nachts. Stimmt das?«
    »Ja.«
    »Und du hast nichts getrunken?«
    »Nein.«
    »Also gut. Und wer sind Ole und Betty?«
    »Ole ist mein Bruder. Und Betty ist seine Frau, also seine Freundin.«
    »Und die sind verbrannt?«
    »Ja, die brennen immer noch.«
    Panik kroch in mir hoch. »Warum weckst du dann nicht Nachbarn oder sonstwen? Und wieso rufst du hier an? Woher hast du meine Telefonnummer?«
    »Mama und Papa stehen sowieso schon auf, die haben mich gehört. Ole hat gesagt, du heißt Baumeister und auf dich ist Verlaß. Sagt Ole.«
    »Und von wo aus rufst du an?«
    »Vom Birkenhof in Jünkerath.«
    »Was brennt denn da genau?«
    »Die Scheune. Da haben die sich zwei Zimmer gemacht. Das weiß doch wirklich jeder.«
    »Warum rufst du mich an?«
    »Weil Ole gesagt hat, er will sowieso alles mit dir besprechen.«
    »Was will er besprechen?«
    »Was so los ist. Kannst du mal kommen?«
    Ich wußte nicht, was ich sagen sollte. Ich kannte ihn nicht, ich wußte nichts von Ole und Betty, und vom Birkenhof in Jünkerath hatte ich auch noch nie etwas gehört. Aber der Junge klang sehr ernst und aufrichtig.
    »Guck genau nach, ob Papa und Mama schon auf sind, dann rufst du die Feuerwehr«, bestimmte ich schließlich. »Wähl die eins, eins, zwei und sage, daß es brennt. Ich

Weitere Kostenlose Bücher