Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eifel-Schnee

Eifel-Schnee

Titel: Eifel-Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
Vom Netzwerk:
die Vögel, die angeblich zum Überwintern nach Süden fliegen, ist auch kein Verlaß mehr. Die bleiben einfach hier. Wenn die Polkappen abschmelzen, sind wir hier Küstengebiet und müssen die Eifel zwischen uns, den Belgiern und den Holländern aufteilen. Wahrscheinlich sprechen wir dann niederländisch und haben ein Königshaus, das wir lieben dürfen. Und ...«
    »Du bist schlecht drauf«, urteilte Rodenstock.
    »Na und?«
    »Vielleicht bekommt es dir nicht, ohne Dinah zu sein.«
    »Hah! Ich bin erwachsen.«
    »Seit wann?« Er lächelte. »Mach dir nichts vor, Weihnachten bringt uns alle um. Paß doch auf, du landest gleich im Graben.«
    »Du denkst an deine Frau, nicht wahr?«
    »Na sicher. Sie machte zu Weihnachten immer einen Truthahn. Aber das war es nicht. Es war auch nicht die Bescherung mit den Kindern. Es war unser wilder Tag. Am zweiten Weihnachtstag haben wir die Tür abgeschlossen, das Telefon ausgehängt und sind nicht aufgestanden. Im Bett gefrühstückt, gegessen, getrunken. Wir haben erzählt, Erinnerungen gehabt, Kniffel gespielt, einen Sekt aufgemacht, geschlafen, gegessen. Na ja, es war eben schön. Nun ist sie weg, und ich sollte Weihnachten wie ein vernünftiger Mensch verbringen. Kommt nicht in die Tüte.«
    »Warum bist du nicht bei deiner Tochter?«
    »Sie paßt irgendwie nicht zu mir. Sie ist so sauber, sie ist ewig so nett zurechtgemacht, niemals hat sie ungepflegte Hände, und immer riecht sie wie eine ganze Parfümerie. Hildegard Knef hat mal gesagt, sie hätte der deutschen Frau ihr Kernseifengesicht geklaut. Meine Tochter hat ein Kernseifengesicht. Aber sag niemandem, daß ich ihr Vater bin. Natürlich hat sie mich eingeladen, und es war ziemlich schwer, eine Ausrede zu finden.
    Aber ich finde, es reicht, wenn ihr Mann mit ihr Weihnachten feiern muß.«
    »Du bist giftig«, stellte ich fest. »Du bist genauso giftig wie ich.«
    »Ruf deine Dinah an«, riet er sanft. »Laß dir die Stacheln ziehen, und schenk deinem Besucher gleich einen Kognak ein, servier ihm Kaffee, eine dicke Brasil und bittere Schokolade.«
    »Darauf wäre ich nie gekommen«, sagte ich.
    Ich war froh, daß Rodenstock da war. Als dann Paul auf seinen Schoß hüpfte, sich sechsmal drehte und selig seufzte, war es richtig nett.
    Dinah hatte Käsecreme aus Roquefort hinterlassen. Wir füllten die Masse in halbe Birnen und mummelten vor uns hin. Es war der Eifelhimmel.
    »Kann ich mir morgen mal die Brandstelle ansehen?« fragte er.
    »Selbstverständlich.«
    »Haben schon Redaktionen angerufen?«
    »Nein, es ist Weihnachten, und sie liegen vorübergehend im Halbschlaf.«
    »Weiß Dinah davon?«
    »Nein. Sie würde sofort kommen, und das wichtige Treffen mit ihren Eltern wäre zerstört. Nein, nein. Im übrigen ist doch noch nichts los. Das wird erst nach Weihnachten rundgehen.«
    Ich irrte mich. Wir wollten gerade ins Bett gehen und lesen, als Dinah anrief und aufgeregt erzählte: »Eigentlich gefallen mir meine Eltern diesmal gut. Sie sind nicht muffig, sie wissen nichts besser, und sie verweisen auch nicht dauernd auf ihre ungleich größeren Lebenserfahrungen. Sie sind einfach nett.«
    »Dann bleib doch noch ein paar Tage. Rodenstock ist hier. Warte, er will dir eine schöne Zeit wünschen.« Ich reichte ihm das Handy und hörte zu, wie er mit ihr sprach und sich darüber freute. Sie war für ihn die Tochter, die er nicht mehr hatte, und Dinah war sehr stolz darauf. Wir einigten uns, daß sie heimkommen würde, wenn ihr danach war, und ich versprach ihr, sie jeden Tag anzurufen.
    »Du rufst mich morgens an, Baumeister, und ich dich abends. Und ich liebe dich.«
    »Wollt ihr heiraten?« fragte Rodenstock, als ich das Gespräch beendet hatte.
    »Wir arbeiten an der Idee. Kennst du noch jemanden bei der Mordkommission?«
    »Ja, aber den werde ich nicht anrufen, der redet zuviel.« Er klemmte sich Schlafes Bruder unter den Arm und wünschte eine gute Nacht. »Vielen Dank, daß du mich geholt hast.«
    »Selbstverständlich«, sagte ich. »Wenn dir kalt ist, in der Truhe liegen Wolldecken.«
    Es war zehn Uhr an diesem Abend, als Gondrom anrief. Gondrom war einer jener Fernsehproduzenten, die ernsthaft der Meinung sind, ohne sie würden die Öffentlich-Rechtlichen verkommen. Er hatte stets mit gleichbleibender Begeisterung wahre Kunst im Blick, aber es kam sehr häufig vor, daß er nörgelte: »Du kannst diesen Serienhelden nicht plötzlich so intelligent machen. Das verwirrt unsere Zuschauer. Sie sind gewöhnt, daß der

Weitere Kostenlose Bücher