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Eifel-Sturm

Eifel-Sturm

Titel: Eifel-Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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mir, bei einer Ortsbegehung in Kalterherberg, er werde langsam misstrauisch angesichts all des Glücks in der Familie. Wenn ich mich richtig erinnere, sagte er wörtlich: Ich warte auf einen Knall.«
    »Wann war das?«
    »Vor einem Dreivierteljahr, aber wenn du den genauen Termin brauchst, kann ich nachgucken.«
    »Nein, nein, lass mal, ich will mir nur ein Bild machen. Ich komme mit diesem so genannten Tatort nicht klar. Schließlich ist es kein Wohnzimmer, keine Straße, kein Auto, kein Parkplatz. Es ist ein Fluss mitten in einer kleinen Stadt. Kannst du das erklären?«
    »Nein«, sagte sie und zündete sich eine Zigarette an. »Das ist genau das, was anscheinend auch der Kripo und den anderen, die untersuchen, das größte Rätsel ist. Niemand hat eine Idee, wie Jakob in den Fluss kam und vor allem, warum.«
    »Vielleicht durch irgendeinen Hauskeller?«
    »Die Sonderkommission hält das für unwahrscheinlich. Du kennst ja die Szenerie dort. Ich dachte automatisch, dass er irgendwo weit oben in den Fluss gestiegen ist. Den Zahn hat mir dieser Kischkewitz aber gezogen. Er hat gesagt, wieso soll er oberhalb der Häuserschluchten in den Fluss gegangen sein, wieso nicht unterhalb? Er kann auch gegen die Strömung gelaufen sein, das Wasser ist an den meisten Stellen sehr flach und du kannst es sogar umgehen, wenn du auf den Steinen läufst.«
    »Hat man denn Geschosshülsen gefunden?«
    »Nein, nicht eine. Und dann die Sache mit seinem Geldbeutel.«
    »Geldbeutel? Wieso Geldbeutel? Davon stand nichts in der Zeitung.«
    »Er lag mit den Beinen im Wasser, mit dem Oberkörper auf einer der für die Abwasserleitung gemauerten Flächen, in denen Kanaldeckel eingelassen sind. Die Abwasserleitung folgt nämlich genau dem Fluss. Unterhalb von Jakob, vielleicht zwanzig Meter entfernt, lag sein Geldbeutel in einem Grasbüschel. Es ist möglich, dass der Geldbeutel mit dem Wasser dorthin getrieben ist, es kann aber auch sein, dass Jakob ihn an der Stelle verloren hat, während er flussaufwärts hetzte. Aber vermutlich ist das alles nebensächlich, vermutlich hat das alles keine Bedeutung. Weißt du, was ich denke?«
    »Sag es mir.«
    »Er saß irgendwo. In einem Raum, auf einer Bank draußen. Dann tauchte jemand auf, von dem er sofort wusste, dass der ihn töten wollte. Er geriet in Panik und rannte los, er wusste nicht wohin. Irgendwie schaffte er es, in den Fluss zu kommen. Er rannte um sein Leben. Und er hatte keine Chance.«
    »Da muss ich heftig widersprechen. Denn noch mal: Wie ist er in den Fluss gekommen? Und vor allem, warum? Nehmen wir an, deine Vorstellung ist richtig, nehmen wir an, er sah plötzlich jemanden, von dem er wusste: Der will mich töten. Er rannte los. Es gibt Hunderte Winkel und Ecken, die Stadt ist uralt. Innenhöfe, Hauseingänge, Durchlässe, schmale Steigen, Treppen; immer wieder kleine Gärten im Steilhang. Er hatte tausend Möglichkeiten, der Beschießung auszuweichen. Warum also flüchtete er in den Fluss? Der Fluss liegt drei Meter tiefer als die Stadt, an manchen Stellen mehr. Der Fluss ist der schlechteste aller Fluchtwege. Deshalb ist er vollkommen unlogisch.«
    Wir schwiegen eine Weile, dann nickte sie: »Du hast Recht, der Fluss ist der schlechteste aller Wege. Aber wir können Jakob nicht mehr fragen, warum.« Sie weinte wieder.
    »Hast du ihn geliebt?«
    Sie nickte, musste nicht überlegen. »Auf eine gewisse Weise, ja. Es war ein sauberes Verhältnis.«
    »Wie war seine finanzielle Lage? Weißt du etwas darüber?«
    »Nein, wir haben das Thema kaum berührt. Ach, nur einmal, als ich wen in meinem Bett hatte, der mein Bankkonto geplündert und das Geld gebunkert hat, da habe ich mich bei ihm ausgeheult. Er hörte zu, er tröstete mich und er sagte: Wenn es hart auf hart kommt, schmeißt du ihn raus, ich gebe dir einen Scheck, du bringst deine Sachen in Ordnung und wir reden nicht mehr drüber. Das ist so beschissen an der Sache: Ich habe den besten Freund meines Lebens verloren. Und er ist nicht ersetzbar, verstehst du? Als die Sache mit Albert war, hat er mich rausgehauen. Verdammt noch mal, warum bin ich bloß so eine unsolide Frau?«
    »Was war denn mit Albert? Meinst du den Albert vom Weißen Stein, der möglicherweise eine Winchester haben könnte?«
    »Genau den.« Sie schwieg eine Weile. »Wenn ich dir das erzähle, Baumeister, musst du den Mund halten. Sag es niemandem, hörst du, niemandem.«
    »Ich sage zu niemandem etwas, versprochen. Niemand wird es von mir erfahren. Und wenn

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