0146 - Die große Beute
Wenn Sie mal das Bedürfnis haben sollten, für die Dame Ihres Herzens besonders tief in die Tasche zu greifen, besuchen Sie die Fifth Avenue. Sie finden allein 32 Juweliergeschäfte auf dreihundert Yards Straßenlänge, und jedes davon ist so vornehm, dass Sie besser daran tun, Ihren Besuch durch Ihren Butler anmelden zu lassen. Es könnte sonst passieren, dass Sie nicht empfangen werden.
Selbstverständlich können Sie auch alle anderen Herrlichkeiten dieser Erde für die besagte Dame Ihres Herzens auf der Fifth Avenue kaufen. Helley ist das einzige Geschäft der Welt, in dessen Schaufenster Sie drei Chinchilla-Pelze gleichzeitig sehen können. Bei Lavin finden Sie Parfüms, von denen der Kubikzentimeter von dreihundert Dollar aufwärts kostet, und bei Colways können Sie Original-Modelle von Dior, Baimain und allen anderen Pariser Mode-Fürsten kaufen, sofern Sie Geld genug haben, das bisschen Stoff zu bezahlen.
Aber bleiben wir mal bei den Juwelen. Unter drei Karat lassen die Juwelieren auf der Fifth Avenue überhaupt nicht mit sich reden, und ein Stein von drei Karat in wasserheller Qualität, mit einer hübschen Fassung und vor allen Dingen in einem Etui, auf dem die Adresse New York, Fifth Avenue, dicker eingraviert ist als der Name des Ladenbesitzers, ein solcher Stein kostet mehr, als ein gewöhnlicher Sterblicher bezahlen kann.
Klar, dass nicht nur die Großen dieser Welt sich für die Juweliergeschäfte interessieren und die Kleinen sich die Nasen bei den Sonntagsspaziergängen an den Schaufenstern platt drücken, sondern dass auch die Gentlemen vom dunklen Gewerbe lüstern über die Fifth Avenue streichen und der Meinung sind, solche Schätze hinter ein wenig Glas oder hinter einer Ladentür, die dazu nicht einmal verschlossen ist, müssten auch ohne gedeckten Scheck einzukaufen sein. Aber diese Hoffnung gewisser Leute kennen auch die Besitzer der Juweliergeschäfte. Sie treffen alle Vorbereitungen, die Verwirklichung der Träume jener Gentlemen zu verteilen. Natürlich bewahren sie über ihre Methoden strengstes Stillschweigen. Es steht aber fest, dass sie für die Sicherungseinrichtungen stets die neueste Technik benutzen.
Kurz und gut, es war noch nie einem Gangster gelungen, ohne Bargeld auch nur einen Brillantsplitter aus einem der Geschäfte zu holen. Jedenfalls nicht mit Gewalt. Correy, dem größten und elegantesten Betrüger, der je die Staaten unsicher machte, gelang es einmal, einem Avenue-Juwelier ein Halsband im Wert von achtzigtausend Dollar zu stehlen, während der Juwelier dem russischen Fürsten, für den er Correy hielt, seine Kollektion vorlegte. Das geschah im Jahr 1908, und seitdem gelang es nie wieder einem Gangster mit oder ohne Pistole irgendetwas auf der Fifth Avenue.
Es kursierte ein einschlägiges Sprichwort in der Unterwelt. Ein Stahltresor in einem Stahlkeller einer stahlvergitterten Bank ist leichter zu knacken als einer dieser Läden auf der Fifth Avenue.
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Wenn Sie bis hierher gelesen haben, dann brauche ich Ihnen nicht mehr zu sagen, welche Sensation es bedeutete, als es an einem schönen Frühlings-Nachmittag einer Gangsterbande gelang, eines dieser Geschäfte zu knacken. Es handelte sich um das Juweliergeschäft von Frederic Barowick & Son. Die Barowicks waren berühmt für die Qualität ihrer Rubine. Rubine waren ihre Spezialität, und auch als die roten Steine etwas aus der Mode kamen, zeigten die Barowicks wenig Neigung, von ihrer Spezialität zu lassen. Sie galten als altmodisch, aber solide.
Ich weiß nicht, ob die Gangster, die das Geschäft ausnahmen, eine Vorliebe für Rubine hatten. Ich wusste zu dem Zeitpunkt, zu dem ich in dieser Geschichte auftauchte, überhaupt über den Barowick-Raub nicht mehr als jeder Zeitungsleser, denn ich las gerade den Bericht über diesen Raub in dem Daily Report. Der Journalist hatte sich viel Mühe gegeben, und man konnte annehmen, er wäre Augenzeuge des Überfalls gewesen.
Die Sache war um vier Uhr zehn passiert, am hellen Nachmittag, während es vor Passanten auf der Fifth Avenue wimmelte. Zu dieser Zeit befanden sich in dem Laden Frederic Barowick jun. und drei Verkäuferinnen: Hedy Hayser, Joan Legrow, Liane Wandrey. Liane Wandrey war die einzige, die gerade eine Kundin bediente. Sie zeigte Madame Gonzales, einer sehr alten und sehr reichen Dame aus Mexiko, Rubinkreuze, denn die Millionärin wollte ein solches Kreuz einem Enkelkind schenken.
Dies geschah an einem Seitentisch, an das man Madame Gonzales einen
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