Eifel-Sturm
es für Jakob Driesch ohne Bedeutung ist, brauchst du es mir auch nicht zu erzählen.«
Sie sah mich von der Seite an. »Du bist schon ein komischer Journalist, einer, der schweigt. Irgendjemand hat mal gesagt, davon kannst du doch nicht leben können.«
»Ich bin nicht an Indiskretionen interessiert. Informanten, die hintenrum flüstern, hasse ich wie die Pest. Ja, das stimmt, ich denke, wir sollten den Tag beschreiben, nicht die Farbe deiner Unterwäsche.«
Sie kicherte. »Die ist schwarz. Also, die Sache mit dem Albert Tenhoven passierte vor drei Jahren. Er war gerade da oben am Weißen Stein in den Hof gezogen. Natürlich machte er uns alle neugierig. Wir fragten uns: Was will der da? Außer einer wilden Natur gibt es da doch nichts. Er wohnte zunächst allein dort, niemand wusste von seiner Frau und den Kindern. Abends tauchte er in unseren Kneipen auf, ein verrückter Macho, aber irgendwie liebenswert, jedenfalls ein starker Typ mit grauem Bart und Händen wie Bratpfannen. Und irgendwie befand ich mich in einer Phase, in der ich so eine Stärke brauchte. Weiß der Geier, was mich geritten hat. Das Schreckliche an mir ist, dass ich immer um die nächste Ecke gucken will. Und eine Ecke gibt es immer. Jedenfalls habe ich ihn mitgenommen. Nicht hierher, nein. Wir sind nach Nideggen gefahren, haben uns ein Hotelzimmer genommen.« Sie war ganz versunken in diese Geschichte. »Wir fingen die Geschichte an wie eine ... na ja, irgendwie wie eine geschäftliche Beziehung. Du erledigst meine Bedürfnisse, ich erledige deine. Das passte mir damals, das fand ich ganz toll. Das war so schön unverbindlich, das war genauso unverbindlich, als wenn du zu einer Nutte gehst. Es blieb nicht bei dem einen Mal. Wir fuhren nach Aachen, wir fuhren nach Heimbach, immer Hotelzimmer. Irgendwann nahm ich ihn mit in dieses Haus. Ich träumte von einer Zukunft mit ihm. Doch dann entdeckte ich, dass er verheiratet ist und Kinder hat. Na klar, wieso sollte ich auch mal Glück haben. Ich wollte ihn rauswerfen, aber er ließ sich nicht rauswerfen, er besetzte sozusagen meine Küche, grinste und blieb sitzen. Da kam Jakob Driesch, um mich abzuholen, es ging um Windräder in Ormont, um die Frage, ob wir den Windpark vergrößern sollen. Driesch fand also Tenhoven in meiner Küche. Und Tenhoven wurde sofort pampig. Auf die ganz unangenehme Art. Er brüllte rum, wieso ich mir einen zweiten Kerl holte, was denn das sollte, ob sein Pimmel vielleicht nicht ausreiche. Er verlor die Kontrolle, verstehst du? Driesch stand da und wusste überhaupt nicht, wie ihm geschah. Tenhoven schrie: Sie braucht das, Kumpel, sie braucht das. Es geht immer nur um Schwänze; Weiber sind eben so, sie werden immer so sein. Und so weiter und so fort. Richtig widerlich. Driesch kam ganz langsam zu sich. Ich konnte an seinen Augen sehen, dass er begriffen hatte, was da bei Tenhoven ablief. Auf dem Tisch stand eine volle Thermoskanne mit Kaffee. Driesch nahm sie und schmetterte sie Tenhoven auf den Kopf, einfach so und ohne Vorwarnung. Tenhoven fiel vom Stuhl, wurde aber schnell wieder lebendig und wollte auf Driesch los. Doch der nahm einen Küchenstuhl und haute Tenhoven um. Dann packte er ihn und schmiss ihn vor die Tür. Er prügelte ihn regelrecht den Berg runter. Als er zurückkehrte, sagte er nur: Lass uns fahren, wir sind spät dran.« Wilma seufzte. »Mein Gott, warum baue ich immer so einen Mist?«
»Ab da hatte Driesch einen Feind fürs Leben.« »Ja«, nickte sie. Sie zog die Unterlippe ein und kaute darauf herum. »Ich bin so hungrig.«
»Solange du dich deswegen nicht verurteilst, ist es in Ordnung.«
»Aber diese Geschichten bringen mir nur Schwierigkeiten, Baumeister, nichts als Schwierigkeiten. Als Frau in der Eifel ist es schwer. Und als moderne Frau in der Eifel ist es manchmal nur schwer auszuhalten. Aber ich liebe das Haus und das Land ... na ja, du weißt schon.«
»Ich liebe es ja auch. Sollen wir zu Anna fahren?« »Ja«, murmelte sie. »Ich mache nur das Haus dicht. Ich muss den Schlüssel unter die Matte legen, Schorsch von der Raiffeisenzentrale bringt mir Heizöl.« Sie stand auf und ging ins Haus.
Ich hörte, dass sie eine Nummer wählte, dass sie sagte: »Ach, Anna. Guten Tag. – Ja, meine Liebe, das ist beschissen. – Du wirst es irgendwie packen, du bist stark. Baumeister ist hier, wir wollen rüberkommen zu dir. – Wie bitte? Das ist nicht wahr! Sag, dass das nicht wahr ist...« Nach einer langen Weile Schweigen hörte ich so etwas
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