Eifel-Sturm
Und noch was, Siggi. Wenn dich Redaktionen anrufen, gib bitte vorerst nichts raus. Ich habe noch diese ganzen Geheimdienstler an den Hacken.« Er seufzte. »Das sind einfach schreckliche Zeitgenossen.«
Annette von Hülsdonk lag auf dem Rücken mitten auf dem Wirtschaftsweg. Rechts über ihr stand ein Fotograf und richtete eine 6 x 6-Mamiya auf einem Stativ ein.
»Das ist ja furchtbar«, hauchte Wilma hinter mir.
»Du solltest dir das nicht ansehen«, sagte ich scharf.
»Wieso nicht? Weil ich eine Frau bin?«
»Weil du ein Mensch bist«, sagte ich.
»Mein Gott, so viel Blut.«
Ich fotografierte Annette von Hülsdonk etwa zehnmal, dann kehrte ich um. Ich wollte zu meinem Auto.
Rodenstock kam mir entgegen. Er wirkte verschlossen. »Wie ist es gemacht worden?«
»Mit Schrot. Aus kurzer Entfernung.«
»Dreht da einer durch?«
»Sieht so aus«, nickte ich.
Er war schon an mir vorbei. Jetzt drehte er sich halb herum und sagte mit einer leichten Handbewegung: »Wir ... wir sollten vielleicht noch mal miteinander reden.«
»Das sollten wir. Wenn wir privat sind.«
Er nickte. Dann ging er zwei Schritte weiter, wandte sich wieder zu mir um und fragte: »Weißt du etwas?«
»Ja. Laut Wilma sollten wir wenigstens zwei Leute durchtesten. Der eine ist Rechtsanwalt in Roetgen und heißt Dr. Ludger Bensen, der andere ist ein gewisser Albert Tenhoven, Landwirt, Imker, Ökofreak oben am Weißen Stein.«
»Richtig, das sind Zielpersonen«, erwiderte er. »Doch der Anwalt hatte am Montagmorgen ein Verfahren vor dem Düsseldorfer Landgericht und übernachtete im Marriott-Hotel in Düsseldorf. Albert Tenhoven hat keinerlei Alibi für die Tatnacht, was uns aber nicht weiterhilft. Er ist nämlich seit Montagabend verschwunden. Seine Frau behauptet, sie wisse nicht, wo er sich aufhält. Ich glaube ihr nicht, aber das ist unwesentlich. Er besitzt übrigens eine 44er-Winchester, aber aus der wurde nicht geschossen.«
»Was glaubst du, wie Jakob Driesch in den Fluss gelangte?«
Er sah mich an. »Das weiß ich nicht, Baumeister. Ich gebe mir auch keine Mühe, meine Phantasie anzustrengen. Wahrscheinlich wird es hinterher eine ganz einfache Erklärung geben. «
»Das nutzt uns jetzt aber wenig.«
»Das ist richtig«, stimmte er zu. »Doch die Rur, ich meine, das Wasser ist nicht der Punkt. Sein Auto ist weg. Das ist ein Punkt. Der zweite und viel wichtigere Punkt ist: Wo war er, bevor er in das Wasser hinabstieg oder reingeschubst wurde? Er ist gegen sieben Uhr abends an dem Sonntag mit der Bemerkung weggefahren, er treffe eben mal Bekannte und sei in etwa einer Stunde wieder da. Danach ist er spurlos verschwunden. Bis jetzt ist kein Zeuge aufgetaucht, der ihn oder auch nur das Auto an diesem Abend irgendwo gesehen hat. Und das, Baumeister, macht mich verdammt nachdenklich. Getötet wurde er um vier Uhr morgens. Uns fehlen neun Stunden seines Lebens.«
Wilma kam heran und schüttelte den Kopf, dass ihre roten Haare flogen. »Das kann doch nur ein Irrer sein, so etwas tut doch kein Mensch, oder?«, flüsterte sie zu sich selbst. Erst jetzt nahm sie uns wahr. »Oh, Baumeister, du brauchst mich nicht nach Hause zu bringen. Kischkewitz lässt heimfahren. Er will noch mit mir reden.«
»Wilma Bruns«, sagte Rodenstock leise und eindringlich, »ich glaube, wir sind uns einig, dass möglicherweise die Windräder eine Rolle spielen, nicht wahr? Wenn das so ist und wenn jemand ausgenippt ist – weshalb? Gibt es ein großes Projekt, einen neuen Windpark, an dem sich in letzter Zeit die Gemüter erhitzt haben?«
Wilma kniff die Lippen zusammen. »Das gibt es, aber es wird noch geheim gehalten.«
»Was heißt geheim?«, fragte ich sauer.
»Geheim heißt, dass es eine geheim gehaltene Studie über einen Windpark gibt, der mit einer Wahnsinnsleistung arbeiten soll. Strom für ganz Aachen, wenn ihr so wollt.«
»Eine Studie?«, lächelte Rodenstock. »Eine Studie, die geheim bleiben soll? Das ist doch wohl ein Wunschtraum. Wer hat die Studie denn in Auftrag gegeben?«
»Ein Hersteller-Konsortium, die Leute, die Windräder bauen. Teure Sache.«
»Gut«, sagte ich. »Ich nehme mal an, Jakob Driesch wusste davon, du wusstest davon, die Hersteller wussten davon, die Leute, die die Studie erstellt haben, wussten davon. Und wer, außer diesen dreißig bis vierzig Leuten und ihren unmittelbaren Mitarbeitern wusste noch davon?«
»Nur die Leute, denen das Terrain gehört, das in Frage kommt.«
»Wie viele sind das etwa?«, fragte
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