Eifelheiler (German Edition)
Ihre Stimme schnitt Welscher fast durch
die Rippen. »Sie war Heilerin. Und von dem, was sie mir erzählt hat, eine ausgesprochen gute.«
Auch gut, von mir aus eine Heilerin, dachte Welscher resigniert.
Wenn das gemeine Eifeler Landvolk an solchen Mumpitz glauben will, soll es mir
recht sein. »Wie sah das denn genau aus? Was kann ich mir darunter …
vorstellen?« Er unterdrückte den Wunsch, seiner Frage einen lächerlichen
Anstrich zu verpassen.
Larissa de Witt hob ratlos die Schultern. »Details kann ich nicht
schildern. Da müssen Sie jemanden fragen, der etwas davon versteht.« Sie wies
unbestimmt in Richtung des Burgbergs. »Vielleicht den Hartmanns Schäng. Der
wohnt oben direkt vor der Ruine und verdingt sich ebenfalls als Heiler. Ich
weiß nur, dass es irgendwie mit Sprüchen funktioniert.«
»Mit Heilsprüchen?« Welscher musste sich zusammenreißen, um nicht
laut aufzulachen. Die Kramann schien eine listige Hexe gewesen zu sein, die den
dämlichen Eifel-Neandertalern mit Scharlatanerie das Geld aus der Tasche
gezogen hatte.
»So oder ähnlich«, bestätigte Larissa de Witt. »Wie gesagt,
Genaueres weiß ich darüber nicht.«
Welscher notierte sich den Namen des anderen Heilers. »Ich möchte
noch mal auf die Familie zu sprechen kommen. Wie verstanden sie sich
untereinander?«
»Gut, denke ich. Das war zumindest mein Eindruck. Sie gingen immer
offen und herzlich miteinander um und haben auch mich in ihrem Kreis rasch
aufgenommen. Die einzige Ausnahme ist vielleicht der Mann von Vrönns Tochter
Barbara. Der ist eher verschwiegen und ein wenig brummig. Mit ihm habe ich
bisher kaum mehr als fünf Wörter gewechselt.«
»Gibt es Enkel? Was ist mit Freunden?«
»Enkel sind mir nicht begegnet, Freunde hin und wieder. Fragen Sie
mich jetzt aber nicht nach Namen. So verwurzelt bin ich hier in Kronenburg dann
doch nicht.«
»Nennen Sie mir einfach alle Personen, die Ihnen in den Sinn
kommen.«
Sie nahm sich Zeit, und Welscher notierte einige Namen. Als ihr
keine weiteren mehr einfielen, sah sie ihn bekümmert an. »Vrönn war beliebt,
keine Frage. Dass man gerade sie umgebracht hat, kann ich nicht verstehen. Ich
werde sie vermissen.«
»Frau Kramann war sicher eine bemerkenswerte Frau. Es tut mir leid,
dass Sie eine Freundin verloren haben«, sagte Welscher und stand auf. »Sie
haben mir sehr geholfen. Vielen Dank.«
Sie stellte die Füße auf den Boden und erhob sich ebenfalls. »Ich
bringe Sie noch zur Tür.« Sie ging voraus zur Treppe.
Auf der ersten nach unten führenden Stufe blieb Welscher stehen. Ihm
war der eigentliche Grund für seinen Besuch wieder eingefallen. »Das Foto
vorhin, das am Fenster, durch das ich auf Sie aufmerksam wurde. Warum haben Sie
es geschossen? Ich will nicht hoffen, dass Sie es der Presse verkaufen.« Er
lachte ein wenig unsicher. Ihm war unwohl dabei, einer lebenserfahrenen Frau zu
sagen, was sie zu tun und zu lassen hatte. »Ist ja vermutlich sowieso nicht
viel darauf zu sehen.«
Larissa de Witt hob eine Augenbraue und schürzte die Lippen. »Sie
irren sich gewaltig.« Kurz entschlossen drängte sie sich an ihm vorbei, holte
die Kamera von der Fensterbank und kam zu ihm zurück. Sie drückte einige Knöpfe
und zeigte ihm das Display.
»Das bin ja ich«, stellte er überrascht fest. »In Großaufnahme. Aber
wieso …«
»Sie sind ein hübsches Kerlchen«, flirtete sie ihn an. »Und ich
möchte Sie auf Leinwand bannen.«
Welscher spürte, dass er errötete. »Okay, ja, von mir aus.« Kein
Youtube, keine Presse, keine Community. Einfach nur Interesse an seiner Person,
an seinem Aussehen, war der Grund für das Foto gewesen. Mit allem hatte er
gerechnet, damit allerdings nicht.
An der Haustür verabschiedete er sich. »Kann sein, dass ich Sie noch
ein weiteres Mal belästigen muss. Wir stehen ja erst am Anfang der
Ermittlungen.«
Ihr Händedruck war fest. Sie zog ihn ein wenig zu sich heran. »Hin
und wieder male ich auch Akt. Würde mich freuen, wenn Sie mir mal Modell stehen
würden. Bei mir finden Sie Ruhe vor den schrecklichen Dingen, die Sie jeden Tag
erleben.« Sie ließ seine Hand los und deutete mit dem Zeigefinger auf Kramanns
Haus.
Welscher verschlug es fast die Sprache. Er wollte das Angebot
freundlich ausschlagen, doch er fürchtete, dabei zu stammeln.
Da hörte er ein dumpfes Donnern, das langsam näher kam, als würde
ein Gewitter in der Gasse toben, nur fehlten die Blitze. Dafür tauchte ein
greller Scheinwerfer auf. Kurz darauf stoppte neben ihm
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