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Eifler Zorn

Eifler Zorn

Titel: Eifler Zorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Pistor
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Blickkontakt. Nur diese tonlose Stimme. War es nur der
Schock über den Leichenfund, der die Frau so mitnahm? Sollten die Kollegen der
Kripo bis dahin nicht angerückt sein, würde ich mit ihr sprechen, sobald es ihr
besser ging und wir wussten, ob sie mehr mit der Sache zu tun hatte, als es
jetzt den Anschein hatte.
    Ich roch, was Bianca Friese
mit »nicht frisch« gemeint hatte, je näher ich der Leiche kam. Es war nicht der
gleiche Geruch, den ich während meiner Zeit bei der Kölner Kripo bei
Wohnungsöffnungen erlebt hatte und den ich auch nach vielen Malen nur schwer
ertragen konnte, weil ich nicht wie einige Rechtsmediziner, die ich kannte,
abgestumpft und »nasentaub« war. Es roch muffig, nach alter Erde und nach noch
älterem Käse. Die Haut hatte aus der Entfernung einen unversehrten Eindruck
gemacht. Jetzt erkannte ich ihre seltsame Struktur und Ausformung genauer. Sie
erinnerte an Wachsfiguren, deren Konturen unter der Wärme verlaufen waren, ohne
ganz zu verschwinden, die Glieder gelblich weiß aufgedunsen.
    Ich stieg die beiden letzten
Stufen der Leiter hinunter, bemüht, nicht in die überall stehenden Pfützen zu
treten und mir gleichzeitig den Weg zu merken, den ich nahm. Ich musste es
später angeben, wenn die Kollegen von der Spurensicherung ihre Pfade zwischen
den Beweisstücken anlegten.
    »Sandra?«, rief ich nach
oben, erhielt aber keine Antwort. Sicher war sie noch mit Bianca Friese
beschäftigt. Dann eben ohne unsere offizielle Kamera, die ich im Wagen
vergessen hatte. Selbst schuld. Ich zog mein neues schlaues Handy aus der
Innentasche meiner Jacke, tippte auf dem Bildschirm herum und suchte das kleine
Symbol mit dem Fotoapparat. Henrike hatte einen Nachmittag damit verbracht, das
Handy einzurichten, und es mit jeder Menge Sinnvollem und mit einer noch
größeren Menge Unsinnigem gefüllt. Die Kamera war eine der Funktionen, die ich
sofort verstanden hatte und sowohl privat als auch im Beruf wunderbar
gebrauchen konnte.
    So gut es ging, nahm ich die
Leiche in der Kiste und den Fundort aus verschiedenen Blickwinkeln auf. Am
rechten Arm fehlte die Hand. Sie war knapp oberhalb des Gelenks abgetrennt. Den
losen Deckel anzuheben, um zu sehen, ob die linke Hand ebenfalls fehlte, war
Aufgabe der Spurensicherung. Ich kletterte die Hälfte der Leiter hoch und sah
die Fotos noch einmal durch, um mich von meinem erhöhten Standpunkt aus zu
vergewissern, dass ich nichts übersehen hatte. Dann wählte ich die Nummer der
Wache in Schleiden.
    »Ruf in Bonn an«, sagte ich
zu dem Kollegen am anderen Ende der Leitung. »Die Kripo muss her.«
    ***
    »Sie haben sich über
Ihren Mann geärgert?«
    »Ja.« Die Frau auf dem Stuhl
schob die Hände seitlich unter ihre Beine und wiegte sich langsam vor und
zurück. Judith Bleuler beobachtete sie, schwieg und wartete. Die Frau kaute auf
ihrer Unterlippe, die Aufmerksamkeit nach innen gekehrt, auf etwas gerichtet,
dessen Schrecken sie paralysierte. Ihre fahle Gesichtshaut wirkte im Licht der
Deckenlampe gelblich, die Augen gingen unter im Grau der Haare, die kurz und
strähnig ihr Gesicht umrahmten. Rote Flecken wanderten den Hals hinauf. »Da war
so ein Hass in mir in dieser Sekunde«, stieß sie atemlos hervor. »Das war nicht
ich. So bin ich nicht.«
    »Wie sind Sie nicht, Frau
Lenzen?«
    »So, so …« Sie
verstummte. Ihr Blick mäanderte durch den Raum, über die Stühle, das Fenster,
und glitt über Judith genauso hinweg wie über die Akten auf dem Tisch und das
halb volle Wasserglas.
    »Können Sie uns den Ablauf
der Tat schildern?« Horst Sauerbier lehnte sich zurück und legte seinen Arm
über die Rückenlehne von Judiths Stuhl. Sie rutschte auf der Sitzfläche einige
Zentimeter nach vorne und beugte sich zu Edith Lenzen vor, die den Kriminalkommissar
mit gerunzelter Stirn ansah.
    »Was ist passiert, Frau
Lenzen?«, fragte sie leise, so als ob sie mit einem verängstigten Kind sprechen
würde, das Angst vor dem großen Monster unter seinem Bett hat. »Warum waren Sie
so wütend?«
    »Er wollte mit mir schlafen.«
Sie sah Judith zum ersten Mal direkt an, befreite ihre Hände vom Gewicht der
Schenkel und schob sie mit nach oben gerichteten Handflächen über die
Tischplatte auf sie zu. »Können Sie sich das vorstellen? Nach all den Jahren? Nachdem
er mir das alles angetan hatte, wollte er mit mir schlafen. Als ob er sich an
mir bedienen könnte wie an einer, einer …« Sie suchte nach Worten. »Er hat
mich nie angesehen. Ich meine, so richtig. Als Frau,

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