Ein Antrag nach Mitternacht
sich an das Fest zu erinnern. Das war doch nicht der Abend gewesen, an dem sie Rochford mit Mary Calderwood hatte reden sehen, oder? Nein, das musste auf der Soiree der Haversleys gewesen sein. Von diesem Abend wusste sie nur noch, mit wem der Duke gesprochen hatte und dass sie von Lady Mary mit lobenden Worten über Rochford überschüttet worden war.
Erneut sah sie zu Rochford, der sie beobachtete. Etwas in seinem Blick ließ ihre Haut in Flammen aufgehen. Zwar versuchte sie, eine tadelnde Miene aufzusetzen, damit er aufhörte, sie auf diese Weise zu betrachten, doch sie fürchtete, dass es nach allem aussah, nur nicht nach einem Tadel. Wann wollten diese Frauen bloß wieder gehen? Hatten sie nicht das höfliche Maß für einen Besuch am Nachmittag längst überzogen?
Aber Lady Feringham redete unentwegt weiter. Im Augenblick ging es um die neue Kutsche von Lord Chesterfield, die sein jüngster Sohn offenbar an diesem Morgen bei einem waghalsigen Wettrennen mit Mr William Arbuthnot zu Schrott gefahren hatte. Francesca gab sich alle Mühe, immer an der richtigen Stelle eine erschreckte, mitfühlende oder amüsierte Miene aufzusetzen, dennoch kehrte ihr Blick immer wieder zum Duke zurück.
Die Erleichterung war schier überwältigend, als Lady Feringham endlich bekanntgab, sie und ihre Tochter müssten nun aufbrechen. Francesca konnte nur hoffen, dass sie nicht die Freude sahen, die daraufhin in ihren Augen aufblitzte, als sie aufstand, um sich von ihnen zu verabschieden.
Nachdem die beiden Frauen gegangen waren, drehte sie sich sofort zu Rochford um, der mit zwei ausholenden Schritten zu ihr kam, ihre Hände ergriff und sie hochhob, um sie zu küssen.
„Ich dachte bereits, die beiden hätten mittlerweile Wurzeln geschlagen“, sagte er, immer wieder von Küssen unterbrochen.
Francesca lachte ausgelassen. „Das hatte ich auch schon angenommen. Oh, Sinclair …“ Sie sprach seinen Namen mit einem Seufzer aus und sah ihn an, während ihr Gesicht strahlte. Er murmelte einen Fluch, zog sie an sich und küsste sie voller Leidenschaft auf den Mund. Als er sie nach einer Weile aus seiner Umarmung entließ, hatte ihr Gesicht eine rosige Farbe angenommen, und ihre Augen leuchteten.
„Wenn du mich so ansiehst, vergesse ich alles andere“, erklärte er mit heiserer Stimme. „Wir müssen uns unterhalten.“
„Müssen wir das?“, erwiderte sie schelmisch und blickte ihn auf eine bewusst herausfordernde Weise an. „Ich wüsste einiges, was ich lieber machen würde.“
„Du Verführerin.“ Wieder nahm er ihre Hand, drehte sie diesmal jedoch um und küsste ihre Innenfläche. „Du weißt, das würde ich auch viel lieber. Aber ich muss dir sagen …“
Aus dem Flur drang ein diskretes Hüsteln in den Salon, und sofort gingen sie auf Abstand zueinander. Rochford drehte sich um und betrachtete den Kaminsims, der ihn ganz besonders zu faszinieren schien. Francesca verzog kurz das Gesicht, zeigte sich dem Butler aber mit ausdrucksloser Miene.
„Ja, Fenton?“
„Mrs Frederick Wilberforce möchte Sie sprechen, Madam.“
Zu gern hätte sie ihn angewiesen, ihr zu sagen, sie sei nicht zu Hause. Jedoch hatte sie aller Wahrscheinlichkeit nach Lady Feringham und ihre Tochter nach draußen treten sehen, und wenn Fenton sie wegschickte, würde das nur ihre Gefühle verletzen. Gerade Mrs Wilberforce, die sich „hochgeheiratet“ hatte, war sehr empfindlich, wenn es darum ging, von anderen geschnitten zu werden.
Francesca verkniff sich einen Seufzer und wies Fenton an, der Frau Einlass zu gewähren. Danach drehte sie sich zu Sinclair um und sprach leise: „Es tut mir so leid.“
Er schüttelte nur den Kopf, lächelte sie schief an und entgegnete: „Ich werde warten.“
Die Besucherin betrat den Salon, als sich Francesca gerade zur Tür umdrehte. Sie hoffte, dass Mrs Wilberforce nicht bemerkte, was sich eben erst in diesem Zimmer abgespielt hatte. Ihr Herz raste auf jeden Fall noch, und sie schaute lieber nicht zum Duke hinüber.
Glücklicherweise kannte Rochford Mrs Wilberforces Ehemann, der aus einer Stadt nahe dem Anwesen des Dukes in Cornwall stammte. So war es ihm möglich, die Besucherin einige Minuten lang in ein Gespräch über ihren Gemahl zu verwickeln. Danach jedoch verlor die Unterhaltung an Leben, da Francesca einfach nicht in der Lage war, sich von ihrer üblichen gesprächigen Seite zu zeigen, mit der sie jede Konversation mühelos vorantreiben konnte. Stattdessen kreisten ihre Gedanken nur um ihren
Weitere Kostenlose Bücher