Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Bündel Geschichten für lüsterne Leser

Ein Bündel Geschichten für lüsterne Leser

Titel: Ein Bündel Geschichten für lüsterne Leser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Slesar
Vom Netzwerk:
Psychoanalytiker an der Ostküste. Von allen Bedingungen war die letzte weitaus am wichtigsten. Vor sieben Jahren hatte sie sich auf ein Stellenangebot hin bei Dr. Cowper beworben und war aus einem Vorzimmer voller hoffnungsvoller und bebrillter Bewerberinnen ausgewählt worden. Sie war älter gewesen, als dieser Posten es eigentlich verlangte, aber die chemische Reaktion zwischen ihr und dem langsam älter werdenden Analytiker mit dem ernsten Gesicht war ausgezeichnet gewesen. Er mochte sie und sie mochte ihn, und so hatten sie sieben Jahre lang zusammen gearbeitet, wobei die Verantwortungen, die Maude übernahm, immer größer wurden – entsprechend der Ausweitung von Dr. Cowpers Praxis. Sie war mehr seine Assistentin als seine Sekretärin, und es gab sogar Augenblicke, flüchtige Augenblicke, in denen er sich ihr anvertraute.
    Auf diese Weise herrschte Waffenstillstand zwischen Maude Sheridan und der Welt, und die Folge war, dass sie auch den Kampf mit Haarbürste, Kamm und Lippenstift, mit Freiübungen und Diät vernachlässigte. Bis sie Jimmy French kennenlernte.
    Einander vorgestellt wurden sie auf einer Party, die ein wegziehender Wohnungsnachbar veranstaltete; sie nahm seine kleinen Höflichkeiten und seinen spielerischen Spott zwar bereitwillig hin, aber ohne Hoffnung auf irgendetwas anderes. Selbst als er sie am nächsten Tag anrief, verschlug der Ton seiner Stimme ihr nicht den Atem. Maude fühlte sich nicht zu mädchenhafter Freude berechtigt.
    Aber sie ging mit ihm ins Kino, und als er dort ihre Hand ergriff, ließ sie es zu. Es gab dann vor ihrer Wohnungstür einen Gutenachtkuss, aber die Berührung seiner Lippen störte in jener Nacht ihre ruhigen, gelassenen Träume nicht.
    Er rief jedoch wieder an. Und wieder. Zwei Wochen, nachdem sie sich kennengelernt hatten, begann sie, ihn genau und verwundert zu betrachten. Er war keineswegs hübsch, aber sein Grinsen war sympathisch, und sein Haar war dicht, schwarz und ließ sich gut streicheln. Er war zwar nicht groß, aber in seinen gutgeschnittenen Anzügen bewegte er sich mit muskulöser Anmut. Er war nicht gebildet, hatte jedoch ein schnelles und natürliches Verständnis für alle Dinge. Er war sogar schlau. Diese Seite von ihm gefiel ihr zwar nicht so sehr, aber sie war nun einmal vorhanden. Er hatte etwas von einem Fuchs an sich.
    Dann begann sie, sich selbst zu betrachten, und es folgten lange, nachdenkliche Augenblicke vor ihrem Spiegel. Sie war zu dick, fand sie. Keineswegs schlecht aussehend, aber irgendetwas musste sie doch unternehmen. Sie hatte sich allzu lange vernachlässigt. Deswegen begann sie wieder, Schönheitssalons aufzusuchen, Diät zu halten und Freiübungen zu machen. Sie tat es für Jimmy French, denn Jimmy mochte sie, mochte sie ehrlich.
    »Ich liebe dich«, sagte Jimmy eines Abends.
    Sie war so überrascht, dass sie am liebsten laut geschrien hätte.
    »Ich liebe dich«, wiederholte Jimmy und nahm sie in seine Arme. »Verstehst du – ich weiß, dass ich nicht viel tauge. Ich meine, du bist unsäglich viel gescheiter als ich, Maude. Ich war nie auf einer höheren Schule. Wahrscheinlich hältst du mich überhaupt für einen Dummkopf.«

    »Nein! O nein!« sagte sie.
    »Ich habe mir nie vorstellen können, dass ein Mädchen wie du mich überhaupt zweimal ansieht«, sagte er, seine rauhe Wange an ihr Ohr gelegt.
    Wenige Augenblicke später löste ihr Waffenstillstand mit der Welt sich in nichts auf – aber das war ihr völlig egal. Sie saßen nebeneinander und redeten. Er sagte eine Menge Dinge, die teilweise verblüffend waren, aber auch das war ihr egal. Erst später musste sie wieder daran denken, und da bat sie ihn, alles noch einmal zu wiederholen.
    »Jetzt weißt du wenigstens auch das Schlimmste«, sagte er dann, zündete sich eine Zigarette an und versteckte sein Gesicht hinter dem Zigarettenrauch. »Ich bin ein ziemlich verkommener Kerl, Maude, war ein ziemlich wildes Kind, immer im Druck, und habe nicht nur Reifen und Autos gestohlen, sondern auch einen bewaffneten Raubüberfall verübt. Ich will dir nichts verheimlichen.«
    »Aber damals warst du noch jung«, sagte sie abwehrend. »Du hast es nicht anders gekannt.«
    Er grinste sie an. »Stimmt, Frau Doktor«, sagte er. »Wieviel verlangen Sie eigentlich für eine Stunde, Frau Doktor?«
    »Kannst du denn nicht ernst bleiben, Jimmy?«
    »Das bin ich. Ich will damit nur sagen, dass ich keinen Beruf habe, Maude, nichts, worauf wir unser Leben aufbauen können. In den letzten

Weitere Kostenlose Bücher