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Ein Bündel Geschichten für lüsterne Leser

Ein Bündel Geschichten für lüsterne Leser

Titel: Ein Bündel Geschichten für lüsterne Leser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Slesar
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Uhr, einstellen!«
    Mit einer kräftigen und entschlossenen Bewegung schlug Grady die Tür aus Walzstahl zu und drehte an dem Mechanismus.
    »Alles in Ordnung, Sir«, meldete er und salutierte stramm.
    »Gentlemen«, sagte Harrison Fell zu der still gewordenen Menge, »der Fehdehandschuh ist geworfen. Hiermit fordert die Holdwell Corporation Amerikas einstigen Geldschrankknacker Nr. 1, den ehrenwerten Sammy ›The Touch‹ Morrissey, auf, den 801 bis Mitternacht zu öffnen. Wenn Mr. Morrissey dies gelingt, geht der Inhalt des Geldschranks in seinen Besitz über. Sind Sie bereit, Sammy?«
    Sammys Adamsapfel wanderte auf und ab.
    »Ich bin bereit«, flüsterte er.
    »Mr. Grady, würden Sie jetzt bitte die Werkzeuge bringen, die Mr. Morrissey angefordert hat!«
    Grady erschien mit einem langen Metalltisch, der auf Räder gestellt war; die gesamte Tischfläche war mit Werkzeug jeglicher Art bedeckt.
    »Mr. Morrissey, prüfen Sie bitte das Werkzeug und überzeugen Sie sich, ob alles in Ordnung ist!«
    »Ich habe es bereits geprüft«, sagte Sammy.
    »Ist alles vorhanden? Stemmeisen, Bohrer, Brechstangen Schneidbrenner, Azetylenflaschen, Scheinwerfer und Sprengstoff?«
    »Alles da, Mr. Fell.«
    »Dann, Gentlemen, können wir beginnen. Wer es müde ist, Mr. Morrissey bei seiner Arbeit zu beobachten, ist im Speisesaal der Geschäftsleitung, im Hauptgebäude der Holdwell Corporation, stets willkommen. Dort werden Erfrischungen serviert. Und nun los, Sammy – möge der Bessere gewinnen!«
    Unter prasselndem Beifall stieg er von seinem Stuhl. Sammy wartete, bis die Menschenmenge sich wieder beruhigt hatte, und näherte sich dann bedächtig dem Geldschrank.
    Eine seltsame, fast umheimliche Stille breitete sich im Raum aus, als Sammy den 801 umkreiste. Lautlos bewegte er sich in seinen Segeltuchschuhen – wie eine Katze, die eine merkwürdig gleichgültige Maus vorsichtig um. schleicht. Das Aussehen des stahlgrauen Kastens auf den vier säulenähnlichen Beinen hatte etwas Herausforderndes; er wirkte plump, kampfbereit und trotzig. Sammy näherte sich ihm langsam, berührte ihn aber nicht einmal, und sein kleines hageres Gesicht schrumpfte vor Konzentration noch mehr zusammen.
    Dann berührte er die metallene Oberfläche mit einem Finger und kratzte leicht daran. Im Hintergrund kicherte ein Reporter.
    Sammy ließ sich durch das Geräusch nicht stören. Die Zuschauer schien er völlig vergessen zu haben. Er strich über den Geldschrank, streichelte ihn, klopfte dagegen und wischte über ihn hinweg. Liebevoll berührte er die Knöpfe des Mechanismus. Er bückte sich und untersuchte die Tür, die unsichtbaren Scharniere, die Bolzen und die Anordnung der winzigen Zahlen. Auf allen vier Seiten waren Scheinwerfer aufgebaut; er ging zu einem hin und rückte ihn ein Stück beiseite, damit er keinen Schatten werfe. Dann untersuchte er wieder die Tür des Geldschrankes und hockte regungslos, wie ein meditierender Buddha, davor.
    Die Zuschauer wurden unruhig, weil sie endlich etwas sehen wollten.
    Entschlossen ging Sammy zum Werkzeugtisch und suchte einen elektrischen Bohrer sowie ein zusammensetzbares Brecheisen heraus.

    Als er den Bohrer am unteren Rand des Geldschranks ansetzte, fing der stellvertretende Polizeidirektor an zu kichern und flüsterte einem seiner Streifenbeamten etwas zu. Aber der Geldschrankknacker ließ sich nicht stören.
    Er setzte den Bohrer etwas höher und links von der Geldschranktür an, und dann zog er am Auslöser. Das Geräusch des Bohrers, der sich langsam in das Metall fraß, jagte allen Anwesenden eine Gänsehaut über den Rücken. Plötzlich brach der Bohrer jedoch ab, und betrübt blickte Sammy das Werkzeug an. Hier und da ertönte Gelächter.
    Als nächstes holte Sammy sich ein ganz einfaches Werkzeug vom Tisch: ein Locheisen und einen Vorschlaghammer. Beide brachte er zum 801, untersuchte sorgfältig die flachen Knöpfe des Mechanismus und zuckte dann die schmalen Schultern. Was immer er vorgehabt hatte – es ging nicht; mit professionellem Gleichmut trug er das Werkzeug zurück.
    In seiner Nähe stieß Harrison Fell mit dem Ellbogen
    Winford Stark in die Seite. Vor einem Monat wäre Stark über diese Intimität in Wut geraten; jetzt grinste er nur und sah hocherfreut aus. Aus der Menschenmenge schoss ein Kameramann ein Bild: Sammy bei der Arbeit.
    Zu diesem Zeitpunkt lohnten sich noch keine Aufnahmen. Sammy untersuchte den 801 und machte dabei ein bedrücktes Gesicht. Es war offensichtlich, dass er

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