Ein Cottage zum Verlieben: Roman (German Edition)
Textilentwürfe oftmals nicht als echte Arbeit ansieht. Mir ist klar, dass man meine Tätigkeit nicht mit einer normalen 35-Stunden-Woche mit einem geregelten Gehalt vergleichen kann. Aber immerhin bringt es etwas ein; von dem Geld leisten wir uns all die kleinen Extras.
»Ich brauche nur ein paar Sachen für meine Entwürfe.«
»Fahr nicht mit dem Auto. Die Straße ist bei dem Wetter lebensgefährlich. Außerdem bist du in der Zeit, die du brauchst, um das Auto freizukratzen, schon halb wieder zuhause«, erklärt Adi, wie immer die Vernunft in Person.
Ich verschweige ihm lieber, dass er aufräumen und sich um Lilly kümmern muss. Aber sie kommt nicht nur mit ihrer gertenschlanken Figur ganz nach ihrem Vater; wie er würde auch sie den ganzen Tag verschlafen, wenn sie könnte.
Ich schiebe den Buggy unsere Straße hinauf, die heute im Gegensatz zu ihrem Namen – The Green – ganz und gar im weißen Schnee versunken ist. Ich stelle mir vor, wie ich durch die eisige Wildnis nach Norwich wandere und den Zug nachhause nehme – nach London. Hier, auf dem Land, findet man eine recht merkwürdige Versammlung von Baustilen: hier ein ockerfarben angestrichener Bauernhof, dort Bungalows aus den Sechziger- und Siebzigerjahren mit einer üppigen Klinkerverblendung und großen Kunststofffenstern. Irgendwie wirken diese Häuser unbeständig, als ob sie jederzeit das Segel setzen und von der Küste hinaus in die Nordsee segeln könnten.
Schließlich taucht vor mir ein hübsches Cottagehäuschen mit Dachziegeln aus Terrakotta auf, an dem ein irreführendes Metallschild mit dem Namen des Hauses hängt: The Thatched Cottage – das reetgedeckte Cottage. Gleich daneben befindet sich der Dorfladen.
Alle Gedanken an einen Marsch durch die Wildnis und eine Flucht zurück in die Zivilisation lösen sich in Luft auf. Ich bin in Reedby gefangen. Mir fällt hier die Decke auf den Kopf, während es in London genügend Busse und U-Bahnen gäbe, um mich überall hinzubringen, wohin ich möchte.
Mit halb erfrorener Hand stoße ich die schwere Eingangstür auf und manövriere den Buggy auf den abgewetzten braunen Teppich in den Laden hinein. Ich komme mir vor, als hätte ich gerade einen Schneesturm überlebt. Ein dreirädriger Buggy ist leider nicht unbedingt dafür geeignet, sich durch das Sammelsurium an Kuriositäten zu schlängeln, die der Dorfladen zu bieten hat. Dieser dient nämlich gleichermaßen auch als Reinigung, Postamt und Hauptverteilerpunkt des Dorfklatsches.
»Schließen Sie schnell die Tür! Hier ist es so kalt wie in Sibirien, wenn der Ostwind bläst«, ruft Phyllis hinter ihrer Ladentheke hervor. Im Herumdrehen werfe ich beinahe den Drehständer mit Spülhandschuhen und heruntergesetztem Weihnachtsschmuck um. Jetzt wird Daisy aktiv und greift nach den Chips – die praktischerweise natürlich genau in Kleinkindhöhe positioniert sind. Es ist aber doch nicht meine Schuld, dass ich einen Buggy habe und draußen ein Schneesturm tobt! Buggyfahrer scheinen nie irgendetwas richtig machen zu können.
Phyllis sieht deutlich besser aus als ich. Ihr rabenschwarzes Haar ist definitiv gefärbt, sie hat volles Make-up aufgetragen und sich die Fingernägel goldfarben lackiert, was hervorragend zu den Goldkettchen an ihrem Handgelenk passt. Aus meinem blonden/straßenköterfarbenen Haar tropft geschmolzener Schnee, und meine Füße sind nass bis auf die Socken. Traurig blicke ich auf meine Plateaustiefel aus cremefarbenem Samt hinunter. Sie haben die wilden Sechziger bis heute überstanden, und jetzt hat Laura Lovegrove es geschafft, sie innerhalb von Minuten zu ruinieren.
»Sie brauchen Gummistiefel. Ich habe dort drüben in der Ecke noch ein Paar stehen.« Ich nehme mir fest vor, mir bei Boden online geblümte Gummistiefel zu bestellen. Bei Phyllis’ grünen Gummistiefeln hört bei mir der Spaß nämlich auf. Nie und nimmer werde ich mich dieser grünen Gummistiefelbrigade anschließen! Ich bin individuell. Andererseits: Noch einen Ausflug in den Schnee, und ich kann meine Samtstiefel vergessen.
Phyllis scheint tatsächlich alles im Sortiment zu haben. Ich suche den Laden nach Color-Rado ab. Dort stehen große Plastikgefäße mit Süßigkeiten und Kaubonbons für einen Penny. Sie erinnern mich an die Gläser mit Knöpfen, Schnallen, Broschen und Schleifen bei Alberton’s, dem Kurzwarenhändler, zu dem mich meine Mutter immer mitgenommen hat. Wenn ich lieb war, bekam ich immer einen hübschen Knopf, ein paar Bänder oder, wenn
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