Ein Cottage zum Verlieben: Roman (German Edition)
Sporttasche. Mein Beutel war ein Einzelstück, auf das mein Name aufgestickt war. Wir alle besaßen Taschen, die Mum selbst genäht hatte. Meiner Meinung nach ist das Nähen von Taschen eine deutlich bessere Art des Meditierens als Yoga, da man nicht nur einen freien Kopf bekommt, sondern hinterher auch noch etwas Schönes vorweisen kann!
Jetzt muss ich erst einmal dringend ins Bad und könnte danach eine Tasse Tee vertragen. Vom Küchenfenster aus entdecke ich eine Gruppe von Leuten, die in einer Art Prozession The Green hinuntergehen. Wer sind all die Männer? Oder habe ich jetzt schon Halluzinationen? Ich merke, dass ich noch nicht ganz wach bin. Denn wer sonst – außer mir – sollte morgens schon um fünf in der Frühe auf den Beinen sein?
Es ist noch ziemlich frisch, sodass selbst mein langes, weißes, viktorianisches Nachthemd nicht ausreicht, um mich um diese Uhrzeit warmzuhalten. Schnell hole ich mir den buntgemusterten Häkelschal aus Daisys Buggy, schlinge ihn fest um mich und laufe der Prozession hinterher, als würde ich dem Rattenfänger von Hameln folgen. Was würde ich jetzt für ein Fernglas geben, denn die Männer sind in der Ferne immer noch nur stecknadelgroß. Alles um mich herum kommt mir so unwirklich vor, als befände ich mich inmitten einer Ansichtskarte. Die Glockenblumen und Tulpen sehen wunderschön aus und ähneln in ihrer Gesamtheit einem Perserteppich.
Ich gebe das Vorhaben auf, mich der Prozession anzuschließen, und lasse mich stattdessen auf einer Bank in der Nähe des Dorfteiches nieder. Erst da merke ich, dass ich tatsächlich meine Tasche mit den Nähutensilien mitgeschleppt habe, als sei dies ein Anhängsel, ohne das ich nicht mehr leben kann. Schnell krame ich ein paar Stoffstücke hervor. Vorher weiß ich nie so genau, welchen Stich ich benutzen werde, da jeder Stoff mir den Stich diktiert – so, als würde ich das Muster und die Stofftextur durch den gewählten Stich ergänzen und wie in einem Gemälde komplettieren.
Von Hand zu nähen kann man durchaus mit einer Handschrift vergleichen (selbst dann, wenn ich keine Botschaft aufnähe) und ist eine sehr persönliche Angelegenheit, wie ein Brief, den man schreibt. Mit der Maschine zu nähen ist schnell und unpersönlich, wie eine E-Mail zu tippen. Denn schließlich würde man ja auch keine Geburtstagskarte mit dem Computer schreiben, oder? Das Stück, an dem ich jetzt gerade arbeite, ist weder gequiltet noch eine Stickarbeit, doch unterhalb der Oberfläche »vertäue« ich es. Manchmal taucht der Stich an der Oberfläche auf, wie eine Art Geitau, das das Auge – wenn nicht gar die Fingerspitzen – dazu einlädt, es zu berühren. Ich bin überrascht: Solch poetische Gedanken so früh am Morgen hätte ich nicht erwartet.
Das Nähen ist der perfekte künstlerische Ausgleich für all diejenigen, die in ihrem Leben verschiedene Dinge unter einen Hut bringen müssen. Praktisch immer und überall kann man damit anfangen und aufhören, sodass sich diese Tätigkeit vom Malen eines Bildes oder vom Siebdrucken deutlich unterscheidet, da man dabei mehr Zeit damit verbringt, alles wieder wegzuräumen und sauber zu machen, als man tatsächlich für das Malen oder Drucken braucht.
Als ich aufstehe und ins Marsh Cottage zurückkehre, habe ich schon beinahe einen anständigen Turnbeutel für Lilly fertig genäht. Ich muss mich nur noch für die richtigen Farben für das L und das Y entscheiden.
Als ich die Küche betrete, erwartet mich dort ein völliges Chaos aus Frühstücksmüsli und Toastkrümeln, die sich breitflächig über den gesamten Küchentisch verteilen.
»Wo warst du?«, meckert Adi.
»Nur kurz spazieren. Es ist solch ein schöner Morgen. Sieh mal! Ich habe sogar ein wenig genäht!«, erkläre ich und krame in meiner Tasche herum. Warum muss ich ihm eigentlich ein Alibi liefern? Ich habe nichts Falsches getan!
»Mach das nicht noch einmal!«, warnt mich Adi beim Hinausgehen.
Verdächtigt er mich etwa, etwas Verbotenes getan zu haben? Ich bekomme ein schlechtes Gewissen und würde am liebsten alles gestehen. Dabei habe ich aber doch gar nichts getan!
»Ich müsste schon längst auf dem Weg zur Arbeit sein, stattdessen passe ich auf die Kinder auf!«, beschwert sich Adi und wedelt mit den Armen – was bedeutet, dass er wirklich sauer ist.
»Warum hast du nichts gesagt?«
»Ich mache mir Sorgen, ob du hier glücklich bist«, fährt Adi fort und ignoriert meine Frage.
»Ich bin es. Jetzt im Frühjahr ist vieles
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